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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Dienstag, 13. Februar 2007

Das Gesetz von Ursache und Wirkung

1. Tiefes Vertrauen in das Gesetz

Die vier Lebensphilosophien bilden die Grundlage und das fundamentale Prinzip des Buddhismus, diese habe ich bereits eingehend erläutert. Die vier Lebensphilosophien sind im gesamten Buddhismus wirksam, werden allerdings nicht immer klar erkannt. Das Thema dieses Kapitels bezieht sich zunächst auf die Lehre der Ansammlung oder der Lebensphilosophie des Materialismus und weiter auf das Gesetz von Ursache und Wirkung.
Wenn wir die externe Welt als eine Ansammlung materieller Moleküle, deren Atome und Kräfte auf der Grundlage der Naturwissenschaft begreifen, können wir annehmen, dass die externe Welt vollständig durch diese materielle Ursachen und Wirkungen gesteuert wird. Dies ist sicher unbestritten. Im Buddhismus haben wir darüber hinaus den Ansatz, dass die Welt, in der wir jetzt gerade leben, eine Verschmelzung von Geist und Materie ist. Daher ist dann das Gesetz von Ursache und Wirkung auch für die Einheit von Geist und Materie/Form wirksam. Es gilt also nicht nur für den Bereich der eigentlichen Materie, sondern auch für die Verschmelzung von Geist und Materie. Dies ist von höchster Bedeutung für dieses Gesetz im Buddhismus.
Das Vertrauen auf das Gesetz von Ursache und Wirkung ist also im Buddhismus außerordentlich stark. Meister Dogen beschreibt z.B. im Kapitel 89 des "Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges" (Shobogenzo) “Tiefer Glaube an Ursache und Wirkung“ (Shinjin-Inga) Folgendes: “Wenn wir die Praxis des Buddha-Dharma erlernen wollen, ist es von höchster Bedeutung, den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu klären. Jene, die den Zusammenhang von Ursache und Wirkung leugnen, verfallen wahrscheinlich der falschen Sichtweise, die nach Profit giert und dazu führt, dass das Gute abgeschnitten wird. Generell gilt, dass die Wahrheit von Ursache und Wirkung lebendig und offensichtlich ist und keine persönliche Beliebigkeit hat: Jene Menschen, die Böses begehen, fallen moralisch und tatsächlich nach unten und jene, die das Gute praktizieren, steigen auf. Dies gilt ohne eine Abweichung von einem Hundertstel oder Tausendstel der Wirklichkeit“. Für Meister Dogen gilt das buddhistische Gesetz von Ursache und Wirkung daher vor allem auch für die Moral und Ethik des praktischen Handelns und Denkens im Leben
In der Welt des Buddhismus durchdringt also die Beziehung von Ursache und Wirkung nicht nur die Materie wie in der Naturwissenschaft, sondern auch Geist und Materie des Universums. Die Genauigkeit von Ursache und Wirkung im Buddhismus lässt nicht einmal eine Abweichung von einem Hundertstel oder Tausendstel erkennen.

2. Konkrete Beispiele von schlechten Ursachen

Ich erinnere, dass ich auf der Konferenz für Religiöse Forschung an der Komazawa-Universität 1984 einen Vortrag über alle Kapitel des "Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges" (Shobogenzo) hielt, in dem ich die Merkmale der Lebensphilosophie des Leidens, der Ansammlung, der Selbststeuerung und der Moral behandelte. Ich bezog diese vier Bereiche auf die Kapitel "Tiefer Glaube an Ursache und Wirkung" (Shinjin-Inga), "Der Biku in der vierten Vertiefung“ (Kap. 90, Shizen-Biku), "Karma in den drei Zeiten“ (Kap. 84, Sanji-No-Go) und "Große Praxis“ (Kap. 76, Dai-Shugyo).
Oben habe ich das tiefe Vertrauen auf den Zusammenhang von Ursache und Wirkung beschrieben. Hier möchte ich über den “Biku in der vierten Vertiefung“ (Dhyana) berichten. In diesem Kapitel zählt Meister Dogen verschiedene schlechte Ursachen auf, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
a) Ein Mönch hatte nur die vier Phasen in der Praxis des Zazen erfahren, diese sind: 1) Das Glück, ohne Gier zu sein. 2) Das Glück, frei von der Sorge um den Zustand des Gleichgewichts zu sein. 3) Das wahre Glück, das über den üblichen Zustand des Glücks hinausgeht. 4) Den Zustand, der sowohl das Glück als auch die Traurigkeit überschreitet. Aber er hatte überhaupt nicht verstanden, dass er bereits die vier edlen Lebensphilosophien des Buddhismus verwirklicht hatte, also den Idealismus, Materialismus, die Lehre des Handelns und die Wirklichkeit selbst. Als er sterben sollte, ging es ihm sehr schlecht und er war über sein Leben tief unglücklich. Er war der Meinung, dass er von Gautama Buddha betrogen worden war, aber dies war selbstverständlich nicht richtig. Er hatte damit durch seine eigene falsche Meinung das Vertrauen in die Lehre Gautama Buddhas verloren und wurde daher unglücklich.
b) Ein Schüler des Meisters Upagupta, der die vier Phasen des Zazen erfahren hatte, war sich völlig im Unklaren, dass er bereits die vier edlen Lebensphilosophien verwirklicht hatte. Als er umherreiste, verging er sich gegen sein Gelübde mit einer Frau und erkannte dann schlagartig, dass diese Frau sein eigener Meister war. Dadurch behielt er das Vertrauen in den Buddhismus.
c). Wenn wir die Lehren Gautama Buddhas studieren wollen, ist es sehr wichtig für uns, die darin enthaltenen Lebensphilosophien und Anweisungen genau zu kennen und zu befolgen, also das Vertrauen auf das menschliche Bewusstsein, die naturwissenschaftliche Genauigkeit von Ursache und Wirkung, die Lehre der Absolutheit des Handels im gegenwärtigen Augenblick und das Höchste der Wahrheit in der Moral der Wirklichkeit.
d) Wir sollten wissen, dass die Lehren von Gautama Buddha sich weitgehend vom Konfuzianismus und Taoismus unterscheiden.
e) Wir sollten erkennen, dass die Lehren Gautama Buddhas nichts als die Wahrheit sind, welche die Fragen und Probleme der sog. Existenz und Nichtexistenz überschreiten.
Daraus ergibt sich ganz klar, dass die buddhistische Sichtweise von Meister Dogen und von Gautama Buddha sich auf das wahre buddhistische Leben konzentrieren.

3. Karma in drei Zeiten

Im Buddhismus heißt es, dass alles in der Welt ohne Ausnahme durch das Gesetz von Ursache und Wirkung bestimmt ist. Andererseits zweifeln wir gewöhnliche Menschen manchmal daran, ob ein solches Vertrauen auf Ursache und Wirkung berechtigt ist oder nicht. Solche Zweifel werden auch im Shobogenzo im Kapitel "Karma in drei Zeiten" (Kap. 84, Sanji-No-Go) behandelt.
Gayata war ein Schüler des neunzehnten Vorfahren im Dharma, Kumaralabdha und fragte seinen Meister: "Meine Eltern glauben zuversichtlich an die Lehren Gautama Buddhas, aber sie sind häufig krank. Demgegenüber erfreut sich ein Schlachter nebenan bester Gesundheit und hat ein ausgeglichenes Verhalten". Der Schüler Gayata fragte daher seinen Meister nach dem Grund, warum der Mann, der in der Schlachterei arbeitet und fortlaufend Leben tötet, glücklich ist, während seine Eltern, die an den Buddhismus glauben und ein gutes Leben führen, unglücklich sind. Das widerspräche doch dem Gesetz von Ursache und Wirkung.
Der Meister antwortete: "Was ist der Grund, dass du wegen eines solchen Problems Zweifel hast? Die Zeitdauer zwischen Ursache und Wirkung kann man in drei Bereiche einteilen. Zunächst gibt es einen unmittelbaren sofortigen Effekt zwischen Ursache und Wirkung. Dann gibt es einen gewissen zeitlichen Abstand zwischen beiden und schließlich gibt es auch einen großen zeitlichen Abstand zwischen Ursache und Wirkung. Wegen dieser Unterschiede hat es den Anschein, dass ein guter Mensch manchmal früh stirbt, während ein gewalttätiger Mensch länger lebt oder auch, dass ein fehlerhafter Mensch glücklich ist, während ein guter Mensch unglücklich ist. Daher glauben viele, dass es das Gesetz von Ursache und Wirkung gar nicht gibt und dass es keinen zwangsläufigen Gegensatz zwischen unrechtem Handeln und Glück gibt. Aber das liegt daran, dass sie den Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht durchschauen, dieses kann man nämlich ganz genau mit der Beziehung eines Gegenstandes und seinem Schatten oder eines Tons und seinen Schallwellen vergleichen“. Nachdem Gayata die Lehren seines Meisters gehört hatte, verschwanden sofort seine Zweifel.
Diese Dharma-Rede macht ganz deutlich, dass die Tatsache der Beziehung von Ursache und Wirkung klar erkannt werden sollte und dass sie eine hundertprozentige Genauigkeit hat. Dabei ist es sehr wichtig, die verschiedenen Zeiten des Zusammenhangs von Ursache und Wirkung zu kennen.

4. Große Praxis und das Gesetz von Ursache und Wirkung

Auch beim Gesetz von Ursache und Wirkung geht der höchste Zustand der vier Lebensphilosophien auf die Wirklichkeit selbst zurück und bei dieser höchsten Form sind Ursache und Wirkung im gegenwärtigen Augenblick vollständig miteinander verschmolzen. Im Shobogenzo wird daher in der höchsten Lebensphilosophie bei Ursache und Wirkung zwischen "Großer Praxis" (Kap. 76, Dai-Shugyo) und dem tiefen Glauben an Ursache und Wirkung (Kap. 89) unterschieden. Beide Kapitel geben dieselbe Geschichte von Meister Hyakuja Ekai und einem alten Mönch wieder, der in einen wilden Fuchs verwandelt worden war. In dem Kapitel “Tiefer Glaube an Ursache und Wirkung“ erklärt Meister Dogen in großer Klarheit den Unterschied zwischen "Furaku Inga" und "Fumai Inga". Der erste Begriff lässt sich folgendermaßen übersetzen: "Sie fallen nicht unter Ursache und Wirkung" und lässt scheinbar die Unabhängigkeit von dem Gesetz von Ursache und Wirkung vermuten. Der zweite Begriff "Fumai Inga" lässt sich übersetzen mit: "Habe keine Unklarheit über Ursache und Wirkung" und bedeutet, dass wir auch in der Praxis des Zazen dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterliegen.
Im Kapitel 76 des Shobogenzo "Große Praxis", erläutert Meister Dogen, dass in der höchsten Lebensphilosophie, also in der Wirklichkeit selbst, Ursache und Wirkung genau im gegenwärtigen Augenblick zusammen fallen und zu einer Einheit verschmolzen sind. Sie sind beide daher in einer einzigen Wirklichkeit vorhanden. Dann gibt es also keinen Unterschied mehr von Ursache und Wirkung, weil sie eben im gegenwärtigen Augenblick eine einzige Wirklichkeit bilden.
Bei verstandesmäßigem Denken können wir also auf der Ebene der Theorie das Gesetz von Ursache anerkennen, denn alles andere wäre unlogisch. Aber auf der Grundlage der Wirklichkeit selbst überschreiten wir diese logische theoretische Ebene. Denn die wahre Wirklichkeit gibt es je im gegenwärtigen Augenblick, in dem eine zeitliche Differenz von Ursache und Wirkung nicht mehr festgestellt werden kann.

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