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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Sonntag, 18. Februar 2007

Wirklichkeit im Buddhismus

1. Die Vernunft durchdringt das ganze Universum

Am Ende unserer vorherigen Untersuchung des Buddhismus sind wir bei dem Problem der buddhistischen Wirklichkeit angekommen. Bei diesem Thema stellt der Buddhismus mit Nachdruck fest, dass es für uns sehr schwierig ist, die Wirklichkeit mit Worten zu beschreiben, weil sie überaus umfassend, sehr weit, überaus komplex aber auch sehr direkt ist usw. Im „ Die Schatzkammer des Wahren Dharma-Auges“ (Shobogenzo) von Meister Dogen gibt es das Kapitel 29 mit dem Titel "Es" (Inmo) und dies bedeutet etwas, das mit Worten schwierig oder gar nicht zu beschreiben ist. Das Wort "Inmo" wird im Chinesischen häufig verwendet, es wird auch z. T. mit "Das" übersetzt und bezeichnet aber meist etwas Unfassbares.
Im Buddhismus ist die Bedeutung des Wortes "unfassbar" jedoch niemals eine Art von Mystizismus oder Ungenauigkeit, sondern drückt die Wirklichkeit selbst direkt vor uns aus, die alle Dinge und Phänomene unmittelbar umfasst und heilig, vielfältig und überaus komplex ist. Nicht zuletzt deshalb halte ich es für ausgesprochen sinnvoll, dass wir die Wirklichkeit mit der buddhistischen Methode der vier bereits dargestellten Lebensphilosophien erfassen und damit gute Lösungen für unsere täglichen Probleme finden und verwirklichen.
In diesem Zusammenhang gibt es ein ganz hervorragendes Werk, das die wahre Bedeutung der buddhistischen Lehre im alten Indien treffend beschreibt. Es handelt sich um das Buch:„Gesang des grundlegenden Mittleren Weges“ (Mulamadhyamaka-karika, in Zukunft abgekürzt MMK) von Meister Nagarjuna. MMK besteht aus 27 Kapiteln und das erste beginnt mit folgenden Versen:
"Nicht Subjektivität, niemals Objektivität, nicht beides, aber niemals ohne Vernunft.Die Phänomene werden genau erkannt und die (Vorstellung) der (dauerhaften) "Existenz" gibt es nirgendwo, sie ist vollständig Nichts."

Dies bedeutet, dass die Subjektivität oder was wir in unserem Gehirn überlegen und denken, nicht als Wirklichkeit real vorhanden ist. Genauso wenig gibt es die sog. Objektivität, also das, was wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen, als Wirklichkeit. Mit anderen Worten, was wir in unserem Gehirn denken, ist keine Wirklichkeit und auch was wir durch unsere Sinnesorgane wahrnehmen, ist genauso wenig die Wirklichkeit. Diese beiden Sätze sagen nicht mehr und nicht weniger aus, als dass weder die Philosophie des Idealismus noch die des Materialismus wahr ist. Die Wirklichkeit ist allerdings niemals ohne Vernunft.
Im zweiten Vers von MMK heißt es:
"Die vier verlässlichen Grundtatsachen sind Vernunft, die externe Welt, der gegenwärtige Augenblick, und genau die Wirklichkeit wie Gott. Eine fünfte verlässliche Grundtatsache existiert überhaupt niemals".

Als ich diese Verse las, wurde mir klar, dass Meister Nagarjuna ein starkes Vertrauen in seine buddhistische Lehre hatte und ich selbst habe diesen buddhistischen Glauben nachhaltig angenommen. Meister Nagarjuna sagt, dass es nur vier verlässliche Grundtatsachen gibt: Vernunft, die externe konkrete Welt, den gegenwärtigen Augenblick und die umfassende Wirklichkeit selbst. Er sagt in aller Klarheit, dass es eine fünfte verlässliche Grundtatsache nicht gibt.
Ich denke, dass seine erste Sichtweise der Wirklichkeit, die auf der Grundlage der vier Lebensphilosophien gedacht wird, die Vernunft sein mag, die das ganze Universum durchdringt. Zum Beispiel denkt eine Person A, dass die Addition von 1 plus 1 die Zahl 2 ergibt und eine andere Person B denkt ebenfalls, dass 1 plus 1 gleich 2 sein muss. Daher haben wir die Tatsache anzunehmen, dass 1 plus 1 gleich 2 überall im Universum richtig ist. Es ist völlig ausgeschlossen, dass wir überhaupt eine solche einfache Tatsache im Universum abstreiten. In diesem Sinne ist es vollkommen unmöglich, dass ich überhaupt die wirkliche Existenz der Vernunft im Universum ablehnen kann.

2. Die externe Welt

In der buddhistischen Lehre wird die Wirklichkeit in einem ersten Schritt als Vernunft gekennzeichnet, die das ganze Universum durchdringt. In einem zweiten Schritt müssen wir uns dann der externen Welt zuwenden, in der wir jetzt genau in der konkreten Realität leben. Wenn wir diese Frage auf der Grundlage der intellektuellen Philosophie des Idealismus angehen und die Wirklichkeit nur im Verstand ansiedeln, ist es unmöglich, dass wir auch die externe Welt außerhalb unseres Geistes als die Wirklichkeit erkennen. Aber beim buddhistischen Realismus und der Annahme der vier Lebensphilosophien ist es sinnvoll, dass wir die Welt und das Universum als konkrete externe Welt begreifen und zwar von einer anderen Seite als von der Vernunft des Geistes. Aus der Sicht des Buddhismus ist die Wirklichkeit die externe Welt selbst, die wir direkt vor uns anschauen und erleben.
Ich möchte dies anhand der externen politischen Welt erläutern: Unter den vielen Himmelskörpern gibt es das Sonnensystem, zu dem der Planet mit der Bezeichnung „Erde“ gehört. Die dortige menschliche Kultur, die sich auf der Oberfläche der Erde entwickelt hat, ist zweifellos eine Art von Wirklichkeit. Wir leben jetzt in der historischen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts, und die Menschheit hat sich in der Geschichte der Kulturen seit mindestens einigen tausend Jahren entwickelt, aber das ist Geschichte. In einer solchen Wirklichkeit empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit auf Grund der Tatsache, dass die USA und die UDSSR 1991 zusammen gekommen sind und nicht in einem furchtbaren dritten Weltkrieg gegeneinander gekämpft haben. Vor dieser Versöhnung konnte ich kaum davon ausgehen, dass die beiden großen Mächte und Länder überhaupt zum Frieden finden. Damals dachte ich, dass im Falle eines dritten Weltkrieges sicher weit mehr als zehn Prozent der Erdoberfläche zerstört würden. Wie bei den Atomexplosionen in Hiroshima und Nagasaki 1945 hier in Japan ist die Zerstörungskraft der Atom- und jetzt der Wasserstoffbomben ganz gewaltig und hat seitdem noch unglaublich zugenommen. Auch damals konnten wir uns überhaupt nicht vorstellen, dass es eine derartige katastrophale Zerstörungskraft geben könnte. Seit den damaligen atomaren Zerstörungen sind nun ca. 60 Jahre vergangen und nach allen Informationen, die wir haben, wäre die Zerstörungskraft in den neunziger Jahren noch viel gewaltiger und katastrophaler gewesen.
Wir alle müssen außerordentlich dankbar sein, dass nicht zuletzt durch die großen Anstrengungen der USA und UDSSR der dritte Weltkrieg tatsächlich verhindert worden ist. Wir können uns von ganzem Herzen über solche glücklichen Umstände freuen, ja wir können von tiefer Freude erfüllt sein, dass die Menschheit nicht so dumm war, sich selbst mit den nuklearen Waffen zu zerstören, die wir Menschen nach so langer Entwicklungszeit und mit so großen Anstrengungen selbst erzeugt haben.
Ich habe da eine vielleicht etwas eigenartige Idee über die menschliche Geschichte, dass nämlich die Historie der Menschheit dem Wettbewerb in einer bestimmten Sportart sehr ähnlich ist. In der frühen Geschichte der Menschheit gab es viele Stämme und kleine Völker, die ihre eigene kaum entwickelte Kultur und Zivilisation hatten. Wenn es zu Wettbewerb und Kampf kam, gab es in der letzten Konsequenz Kriege, die darüber entschieden, wer den anderen durch den Kampf unterwarf. Derartige Kämpfe um die Vorherrschaft haben sich in der menschlichen Geschichte immer wieder ereignet. Schließlich wollten die USA und die UDSSR im Jahre 1991 den großen letzten Kampf ausfechten, aber glücklicherweise hatte die Menschheit die große Kraft, diesen letzten Kampf zu vermeiden. Wenn wir den wirklichen Zustand dieser Welt bedenken, können wir feststellen, dass das große „Finale“ des Wettkampfes in der Welt ohne Kampf beendet wurde. Ich vermute, dass der Gewinner eines solchen letzten Kampfes die USA gewesen wären. Die USA hätten nun die große Chance, ihre Armee zu einer Art wirkungsvoller Weltpolizei umzuwandeln. Alle Länder in der Welt hätten dann die Möglichkeit, ihre eigenen Armeen sozusagen in die einzelnen Abteilungen dieser Weltpolizei einzugliedern. Mit anderen Worten denke ich, dass wir Menschen in der Lage sein könnten, die Chance zu nutzen, eine Regierung für die ganze Welt zu schaffen. Sicher mag dies für die meisten Menschen viel zu optimistisch gedacht sein, als dass dies ernsthaft erwogen wird. Aber ich denke, dass wir unsere großen Anstrengungen darauf richten sollten, einen Friedensplan ins Leben zu rufen, um die Weltsituation zu verbessern und nicht durch wirklich außerordentlich dumme Verhaltensweisen unsere wertvolle Kultur mit Krieg zu zerstören und in Schutt und Asche zu legen.
Ich habe die große Hoffnung, dass die Menschheit in Zukunft nicht so töricht und wahnsinnig ist, die Kernwaffen auf der Erde zu benutzen, um die jetzigen großartigen und überaus wertvollen Kulturen und Zivilisationen auf dieser Erde zu zerstören.

3. Das Handeln im gegenwärtigen Augenblick und das Universum.

Ich habe bereits die Wirklichkeit 1) als Vernunft erklärt, die das ganze Universum durchdringt und 2) als die externe Welt, die direkt vor uns existiert. Wenn ich jedoch die Wirklichkeit wesentlich praktischer und in ihrer wahren Bedeutung fassen will, wird klar, dass eine Interpretation der Wirklichkeit als Vernunft allein doch nur eine verstandesmäßige Überlegung ist. Auch die zweite Interpretation der Wirklichkeit als externe Welt, die direkt vor uns existiert, bezieht sich vor allem auf die wahrnehmbaren Bilder, die von unseren Sinnesorganen erfasst und im Gehirn verarbeitet werden. Wenn wir die Wirklichkeit in der buddhistischen Lehre darüber hinaus direkt und unmittelbar erfassen wollen, müssen wir wesentlich weiter gehen und dann sind wir beim wirklichen Handeln im gegenwärtigen Augenblick angekommen.
Im Buddhismus verstehen wir das Handeln in der Vergangenheit aber lediglich als eine Erinnerung daran und ein Handeln in der Zukunft nur als eine Erwartung oder Annahme. Auch in der Gegenwart muss man genau unterscheiden, ob es sich lediglich um die Vorstellung oder das Erkennen handelt, das sich auch nur in unserem Geist abspielt. Eine solche Verstandestätigkeit und ein solches Erkennen des Handelns im Geist ist aber niemals das wirkliche Handeln selbst im gegenwärtigen Augenblick. Meister Nagarjuna hat diesen Unterschied der wirklichen Erfahrung des buddhistischen Handelns im Gegensatz zur Vorstellung in seinem Werk „Gesang des grundlegenden Mittleren Weges“ (MMK) genau herausgearbeitet. In gleicher Weise finden wir diesen direkt an der Wirklichkeit orientierten Ansatz im Shobogenzo von Meister Dogen und insbesondere in den Kapiteln 23 "Das reine würdevolle Handeln der Buddhas" (Gyobutsu-yuigi) und im Kapitel 37 "Das Erlernen der Wahrheit mit Körper und Geist" (Shinjin-gakudo). Ein solches vollkommen wirkliches Handeln kann niemals in der Vergangenheit oder in der Zukunft vor sich gehen, weil die Erinnerung an die Vergangenheit nur aus Bildern oder Gedanken besteht. Die Erwartung über die Zukunft umfasst ebenfalls nur Vorstellungen und Bilder. Beides kann niemals die volle Wirklichkeit sein, sondern es ist nur ein Bruchteil dieser Wirklichkeit und muss oft sogar als verzerrt, übertrieben oder untertrieben bezeichnet werden.
Wir sollten daher in aller Klarheit erkennen, dass nur das wirkliche Handeln im gegenwärtigen Augenblick die Einheit mit der großen Wirklichkeit ist, und dies kann man fast als die Substanz schlechthin bezeichnen. Wir sollten erkennen, dass dieses Handeln bei allen Buddhisten das Wirkliche ist und dass ein solches Handeln im gegenwärtigen Augenblick ein zentrales Merkmal des gesamten Buddhismus überhaupt ist. Wenn wir dieses wirkliche Handeln nicht in der Praxis des Zazen erfahren, können wir den wirklichen Buddhismus überhaupt nicht vollständig erfassen und erfahren. Im neunten Vers des ersten Kapitels von MMK heißt es hierzu wie folgt:
"Wenn sich das Gesetz des Universums noch nicht offenbart hat, ist unsere Fähigkeit zur Selbststeuerung (im Gleichgewicht) noch nicht erschienen.Wenn unsere ruhelosen Gehirnfunktionen noch nicht reguliert worden sind, sind die verlässlichen Grundtatsachen auch sehr ungenau. "
Dieser Vers bedeutet, dass unser wirkliches Handeln, das hier Selbststeuerung genannt wird, überhaupt nicht erscheint, bevor das Universum nicht wirklich erschienen ist. Bevor jedoch die geistigen Bedingungen von uns selbst noch nicht im Gleichgewicht sind, kann auch das wirkliche Universum nicht klar erkannt werden.
In der zweiten Zeile des Verses wird entsprechend betont, dass das Universum direkt vor uns noch keine Klarheit hat, bevor unsere geistigen Bedingungen nicht richtig gesteuert, also im Gleichgewicht sind. Zusammenfassend kann man daher sagen, dass das wirkliche Handeln sich niemals offenbaren kann, ohne dass sich das Universum offenbart und wenn unser geistiger Zustand noch nicht richtig gesteuert ist, sind die verlässlichen Grundtatsachen oder die Wirklichkeit sehr vage und ungenau.
M.E. drückt dieser Vers die vollständige Übereinstimmung des Universums mit unserem eigenen Handeln im gegenwärtigen Augenblick aus. Der Buddhismus sagt in aller Klarheit, dass ohne das Universum unser Handeln im gegenwärtigen Augenblick gar nicht existieren kann und dass umgekehrt ohne unser wirkliches Handeln das Universum nicht klar erscheint. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Grundsatz sehr wichtig für die gesamte buddhistische Lehre ist. Um es noch einmal zu wiederholen: Die Identität des Handelns im gegenwärtigen Augenblick mit dem Universum selbst ist die zentrale Grundlage des buddhistischen Realismus.
Als ich diesen Vers von Meister Nagarjuna zum ersten Mal las, war es für mich wirklich unmöglich, seinen Inhalt und seine Bedeutung überhaupt zu verstehen. Aber nachdem ich ihn immer wieder studiert und durchdacht habe, wurde mir klar, dass im Buddhismus das grundlegende Prinzip gilt, dass unser wirkliches Handeln im gegenwärtigen Augenblick und das wirkliche Universum beim Handeln ganz genau die Vorder- und Rückseite der einen ungeteilten Wirklichkeit sind. Auf dieser Grundlage kann der Buddhismus eine vollständig unabhängige auf die Wirklichkeit bezogene Lehre für das Leben werden und unterscheidet sich damit von allen bisherigen theoretischen philosophischen Systemen, die für das praktische Handeln doch nur eine sehr geringe Bedeutung haben oder sogar gefährlich sind.
Wenn man daher der Sichtweise der buddhistischen Lehre folgt, macht es überhaupt keinen Sinn, sich immer wieder und wieder und eventuell sogar zwanghaft mit der Vergangenheit zu befassen. Es gibt keine konstruktiven und substanziell wertvollen Lebenswirklichkeiten in der Vergangenheit, selbst wenn wir uns über schwere frühere Fehler immer wieder große Sorgen machen. In derselben Weise hat es wirklich keinen Sinn, sich dauernd ängstlich, sorgenvoll oder aber euphorisch mit der Zukunft zu beschäftigen, auch wenn wir immer wieder gewaltige Träume über eine herrliche oder aber furchtbare gedachte Zukunft haben. Dies ist weitgehend verlorene Zeit für die Gegenwart und Wirklichkeit unseres Lebens.
Gautama Buddha erkannte, dass es für alle Lebewesen wirklich großes Glück bedeutet, ehrlich im gegenwärtigen Augenblick des Gleichgewichts zu leben und zu arbeiten. Diese Lehre ist wohl der wichtigste Grundsatz, den Gautama Buddha uns gelehrt hat.
Unser Leben besteht niemals nur aus Ideen und niemals nur aus Sinnesreizungen, sondern das wirkliche Leben bedeutet, sich für eine sinnvolle Aufgabe ehrlich und aufrichtig im Zustand des Gleichgewichts einzusetzen, zu leben und zu arbeiten.

4. Gott, das Universum und der Buddhismus.

In dieser Einführung in den Buddhismus möchte ich nun meine Gedanken zu Gott und dem Buddhismus darlegen. Viele buddhistische Wissenschaftler meinen, dass Buddhismus ein Atheismus ohne Gott ist. Ich habe in meinem langen Leben viel über diese Frage nachgedacht und kann einer so einfachen Lösung der Frage nach Gott und Buddhismus auf keinen Fall zustimmen. Im Christentum sind z.B. die Fragen nach Gott von größter Bedeutung und es gibt dazu viele Überlegungen und tiefgründige Aussagen. Es ist daher auch für mich eine große Verpflichtung, der Gottesfrage sorgfältig und genau nachzugehen.
Wenn wir bedenken, was es mit dem Universum wirklich auf sich hat, wird deutlich, dass dies überhaupt nicht einfach zu verstehen ist. Wenn wir z.B. an das Sonnensystem denken, muss eigentlich jeder daran zweifeln, dass sich diese großen schweren Himmelskörper überhaupt im Raum halten können. Unser wissenschaftliches Verständnis hat sich sicherlich außerordentlich entwickelt und wir kennen die Tatsache, dass alles im Universum der Schwerkraft unterliegt. Wenn wir jedoch weiter fragen, was der Grund für diese geheimnisvolle Tatsache der Schwerkraft ist, dann müssen wir zugeben, dass es wirklich sehr schwierig ist, deren Ursache herauszufinden. Schon diese kurze Überlegung zeigt, dass wir zugeben müssen, dass die Welt, in der wir jetzt gerade leben, entgegen unseren Erwartungen oft äußerst geheimnisvoll und wunderbar ist.
Gleichzeitig müssen wir zugestehen, dass die Welt oder das Universum durch eine bestimmte Ordnung gesteuert wird. Auf jeden Fall müssen wir feststellen, dass die Welt sehr genau einem Gesetz des Universums folgt. Diese Welt besteht also aus irgendeiner Art von geordnetem Gesamtsystem und ist durch ein Gesetz des gesamten Universums gesteuert.
Aber in dieser Welt gibt es auch eine Fülle von wilder Energie, die irgendwie blind ist. Wir können daher den Schluss ziehen, dass die Welt zwar in irgendeiner Weise ein blinder und geheimnisvoller Raum ist, aber dass sie durch irgendwelche vernünftigen Regeln gesteuert und in einer Ordnung gehalten wird.
Wem ist es nun überhaupt möglich, eine solche blinde Welt sinnvoll zu steuern? Wenn ich tiefer über diese verschiedenen Fragen nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass nur die Menschen selbst in der Lage sind, derartige oft blinde Energien sinnvoll zu steuern, da diese Energien sich nicht selbst regulieren können. Ich denke, wenn die Menschen nicht außerordentlich sorgfältig diese großen Energien in die richtige Richtung lenken, ist es wohl schwierig, die Welt auch nur in dem Zustand zu halten, den sie jetzt hat. In einer solchen Lage denke ich, dass die Menschheit gut beraten ist, die internationalen Beziehungen zwischen vielen unabhängigen Ländern gut zu pflegen. Dabei ist es wichtig, dass möglichst in allen Ländern dieser Welt gute ökonomische Bedingungen herrschen.
Je genauer ich diese Fragen und die vielen ernsten Probleme in der Welt untersuche, desto mehr kommt mir der radikale Widerspruch zwischen Idealismus und Materialismus in den Sinn. Religiöse Menschen haben eine Sehnsucht nach Spiritualität und folgen dabei ihrer idealistischen Philosophie und verachten materielle Werte. Dagegen erkennen andere Menschen, die auf der Grundlage des Materialismus leben, überhaupt keinerlei spirituelle Werte an, sondern streben mit großem Einsatz nach ökonomischen Werten und Vorteilen, machen dabei die idealistische Lebensweise lächerlich. Wie ist es bei einer so schlechten Ausgangslage möglich, dass die Menschen, die zwar in den selben Gesellschaften leben, aber vollständig gegensätzlicher Meinung sind und sich oft in erbitterter Feindschaft gegenüberstehen, überhaupt zusammen kommen und Harmonie erreichen können? Ich selbst bin der festen Ansicht, dass es für die Menschheit unmöglich ist, friedliche Beziehungen für die einseitig verfeindeten idealistischen und materialistischen Fronten aufzubauen und zu pflegen.
In einer solchen Lage kann die Welt überhaupt niemals zu einer Einheit zusammenwachsen, wenn wir die beiden sich unversöhnlich gegenüber stehenden Weltanschauungen, nämlich Idealismus und Materialismus, beibehalten. Das Ziel einer harmonischen und friedlichen Welt kann also auf keinen Fall erreicht werden, wenn diese beiden einseitigen Sichtweisen und Philosophien sich immer wieder aufs Neue bekämpfen. Dabei entsteht fast automatisch die tiefgründige Frage nach Gott. Jeder weiß, wie stark die Liebe religiöser Menschen zu Gott ist. Wenn man bei diesen Problemen weiterkommen will und die Liebe zu Gott weiter bestehen soll, stellt sich die außerordentlich wichtige Frage, wie und ob religiöse Menschen über die bisherige, meist zu enge idealistische Weltanschauung hinaus gelangen können. Natürlich müssen wir auch damit rechnen, dass sie eventuell den Glauben an den einseitigen Idealismus nicht überwinden werden. Wenn wir auf der anderen Seite den Hass vieler Materialisten gegen Gott bedenken, so stoßen wir ebenfalls auf das unabweisbare Problem, dass es außerordentlich schwierig sein wird, dass sie den Glauben an Gott akzeptieren. Wenn wir daher die schwierige und kontroverse Frage des Glaubens an Gott nicht lösen, erscheint es fast ausgeschlossen, dass die Menschen überhaupt an die Wirklichkeit glauben.
Wie sollten wir uns daher der Frage nach Gott nähern? Die moderne Wissenschaft lehrt uns, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt. Wenn wir die Idee akzeptieren, dass sich das Universum immer weiter aus einander bewegt, können wir schwerlich annehmen, dass es überhaupt ein anderes Universum als das unsere gibt. Daraus folgt, dass wir annehmen müssen, dass Gott in diesem Universum selbst vorhanden ist. In diesem Fall kann Gott aber nicht nur ein gewisser Teil des Universums sein. Stattdessen müssen wir annehmen, dass Gott das Ganze ist, dass Gott also überall vorhanden ist, dass Gott allmächtig und das Absolute ist.
Wenn die Frage nach Gott und dem Universum so durchdacht wird, muss ich leider sagen, dass die Religionen Gott oft viel kleiner machen, als er tatsächlich ist. Ich glaube, dass wir in tiefgründiger, geradezu revolutionärer Weise daran denken müssen, wie wir Gott wiedergewinnen können. Wenn wir diesem Gedankengang ernsthaft folgen, müssen wir folgende Wahrheit annehmen: "Gott ist das Universum und das Universum ist Gott". Gott kann niemals kleiner sein als das Universum und ich glaube, dass Gott auf der anderen Seite auch nicht größer sein kann als das Universum. Daher meine Aussage: "Gott ist das Universum und das Universum ist Gott." Diese Einheit von Gott und Universum wird Wirklichkeit genannt.
Wenn wir im Zazen sitzen, können wir in Gott sitzen, können wir im Universum sitzen, können wir im Handeln sitzen und können wir in der Wirklichkeit sitzen. Auf diese Weise können wir also tatsächlich in der Wirklichkeit sein.
Damit möchte ich meine einführenden Erklärungen der buddhistischen Lehre beenden und die Praxis des Zazen selbst darstellen.

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