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Meister Nishijima praktiziert Buddhismus seit über 60 Jahren. Er war Schüler von Meister Kodo Sawaki, einem japanischen umherziehenden Priester, der berühmt dafür war unermüdlich zu betonen, dass die Praxis des Zazen ihren richtigen zentralen Platz im Buddhismus erhält und der selbst intensiv praktizierte. Meister Nishijima wurde von Meister Renpo Niwa als Priester ordiniert, der später als Abt den Zentraltempel des Soto-Buddhismus leitete. Nishijima Roshi hat viele Bücher über Buddhismus u.a. von Dogen sowohl in Japanisch als auch in Englisch geschrieben. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren hat er in Japanisch und Englisch viele Vorträge gehalten, Seminare und Sesshins geleitet sowie genaue Anweisungen zum Buddhismus und vor allem zum Zazen gegeben. Deutsche Fassung: Yudo J. Seggelke

Mittwoch, 28. Februar 2007

Allgemeine Richtlinien zum Zazen von Meister Dogen (Fukan-Zazen-Gi)


1. Zusammenfassung


a) Meister Dogen im Kloster Kennin-ji
Meister Dogen wurde im Jahre 1212 buddhistischer Mönch und trat in das Kloster Enryaku-ji in Kyoto ein. Er lebte dort als buddhistischer Mönch etwa drei Jahre lang. Ihm wurde jedoch klar, dass die buddhistische Lehre in Enryaku-ji damals zu sehr auf intellektuelle Überlegungen konzentriert war und ging daher zu Meister Eisai in das Kloster Kennin-ji, um dort schließlich als Mönch einzutreten.
Weil das Kloster Kennin-ji zur Übertragungslinie des Rinzai gehört, können wir annehmen, dass Meister Dogen von seinem Meister als Aufgabe ebenfalls ein Koan bekam, und er während der Zazenpraxis die Bedeutung des Koans immer wieder durchdachte, um auf diese Weise zur Erleuchtung zu gelangen. Dies unterscheidet sich jedoch von der Praxis des wahren Zazen, die er später sehr genau herausarbeitete. Meister Dogen hatte einen scharfen Verstand und ein genaues Beobachtungsvermögen, so dass es bei ihm keine Illusionen darüber geben konnte, ob er die so genannte Erleuchtung wirklich erlangt hatte oder nicht. Er erkannte dann auch ganz klar die Tatsache, dass er nicht so etwas Ähnliches wie die Erleuchtung erreicht hatte. Wir können daher sicher vermuten, dass ihn diese Erkenntnis stark beunruhigte, dass es ihm nicht gelingen wollte, die Erleuchtung selbst zu erfahren.
Wahrscheinlich hatte Meister Dogen dann erhebliche Zweifel, ob das Zazen, das damals in Japan praktiziert wurde, überhaupt richtig sei. Dann ist bei ihm wohl der Wunsch aufgetaucht, selbst nach China zu gehen, um dort die wahre buddhistische Übungspraxis des Zazen zu erlernen.
Der Meister des Kennin-ji-Klosters mit Namen Butsuju Myozen, welcher der Nachfolger von Meister Eisai geworden war, war offensichtlich von genau denselben Überlegungen wie Meister Dogen bewegt. Butsuju Myozen hatte ebenfalls die große Hoffnung, durch eine Reise nach China das Wesen des wahren chinesischen Buddhismus und vor allem des Zazen direkt zu erfahren. Daher entschieden sich Meister Myozen und Meister Dogen, gemeinsam nach China zu reisen, um dort die Erleuchtung zu erlangen, die in Japan offensichtlich nicht möglich war.

b) Meister Myozen und Meister Dogen in China
Leider wurde Meister Myozen schon nach etwa zwei Jahren ihres Aufenthaltes in China schwer krank und starb im Kloster Tendozan Keitoku-ji am 27. März 1225.
Meister Dogen setzte seine Reise dann allein zu verschiedenen chinesischen buddhistischen Tempeln fort und besuchte einen nach dem anderen. Er hoffte dort einen wahren buddhistischen Meister zu finden, um das zu erlangen, was er so sehr anstrebte. Am 1. Mai 1225 begegnete Meister Dogen dann Meister Tendo Nyojo, der inzwischen Meister vom Kloster Tendozan Keitoku-ji geworden war. Er erkannte sofort, dass dies sein wahrer Meister war, und studierte und praktizierte Buddhismus unter seiner Leitung bis zu seiner Rückkehr nach Japan im Jahre 1227.
Die historische Tatsache, dass Meister Dogen mit Meister Tendo Nyojo zusammentraf, ist von außerordentlich großem Wert für den Buddhismus insgesamt. Bevor er nämlich Meister Tendo Nyojo begegnet war, praktizierte er Zazen mit der Vorstellung, dass man zielgerichtet und mit großer Anstrengung die Erleuchtung erringen müsste. Dies unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von der wahren Praxis des Zazen, die er später in China kennen lernte und in dieser Richtlinie genau beschreibt. Dass Meister Dogen überhaupt nach China ging, ist seiner großen Aufrichtigkeit und Sorgfalt sich selbst gegenüber zu verdanken, und dass er bis dahin die so genannte Erleuchtung tatsächlich nicht erlangen konnte.
Die buddhistischen Lehren von Meister Tendo Nyojo unterschieden sich vollständig von dem, was Meister Dogen bis dahin kannte und in China erwartet hatte. Wie in "Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges" (Shobogenzo) im Kapitel 30: "Das Bewahren der reinen Praxis" (Gyoji) beschreibt, sagte Meister Tendo Nyojo mit großer Bestimmtheit:

"Zazen zu praktizieren bedeutet nur, Körper und Geist fallen zu lassen. Es ist nicht notwendig, dass wir Räucherstäbchen anzünden, Buddhas Namen rezitieren, unsere Sünden bekennen oder überhaupt Sutras lesen. Aber wenn wir nur sitzen, ist alles schon von Beginn an erreicht worden".

Diese Worte bedeuten also, dass die Zazenpraxis das vegetative Nervensystem ins Gleichgewicht bringt und dass wir das einengende Bewusstsein von Körper und Geist verlieren. Wenn wir nur Zazen praktizieren, verwirklicht sich also schon von Anfang an einfach und direkt, dass wir vom Bewusstsein des Körpers und Geistes frei werden.
Dies ist einer der wichtigsten Kernpunkte der buddhistischen Lehre überhaupt. Das wirkliche Zazen dient also niemals nur als Werkzeug und Methode, um das große Ziel der Erleuchtung zu erlangen. Die Zazenpraxis ist also gerade nicht ein Instrument oder Mittel, das sich von dem angestrebten Ergebnis der Praxis, nämlich der Erleuchtung, trennen lässt sondern Zazen ist die erste Erleuchtung selbst. Die willensmäßige Konzentration auf das Ziel der Erleuchtung ist also völlig sinnlos und zerstört gerade die wahre Zazenpraxis. Zazen ist nur das Handeln des Sitzens im gegenwärtigen Augenblick selbst. Wir müssen daher in aller Klarheit sagen, dass beim Zazen das Ziel, die praktische Methode und das eigentliche Handeln beim Sitzen vollkommen zu einer Einheit verschmolzen und damit identisch sind. Es ist sehr wichtig, dass wir Zazen einfach und ohne Verspannung als die erste Erleuchtung praktizieren und wir müssen uns überhaupt nicht beunruhigen, wann die zweite Erleuchtung kommen wird. Die erste Erleuchtung ist nur, Zazen selbst im gegenwärtigen Augenblick zu praktizieren, indem wir Körper und Geist fallen lassen. Die zweite Erleuchtung ist das vollständige Verständnis der buddhistischen Lehre auf der Grundlage des ehrlichen täglichen Lebens als Mensch, der den Buddhismus praktiziert. Dabei ist der wesentliche Kern die Zazenpraxis selbst, wie es hier beschrieben wurde und die wir in dieser Klarheit Meister Dogen verdanken.

c) Heimkehr von Meister Dogen
Meister Dogen kehrte im Jahre 1227, mit 27 Jahren, nach Japan zurück. Nach seiner Rückkehr fragte ihn jemand: "Was hast du aus China mitgebracht?" Er antwortete darauf: "Nichts" und fügte dann hinzu: "Wenn ich dazu irgendetwas sagen muss, mag es der bewegliche und sanfte Geist sein (,den ich mitgebracht habe)". Wir können seine Worte heute so verstehen, dass sich unser Körper und Geist, so wie sie sind, beim Zazen im Zustand des Gleichgewichts befinden und es uns so erscheint, als ob wir sie fallen gelassen haben.

d) Schriftliche Fassung der allgemeinen Richtlinien zum Zazen (Fukan-Zazen-Gi)
Meister Dogen hielt sich zunächst für eine Zeit in Kyushu auf, als er aus China zurückgekommen war und trat dann wieder in das Kennin-ji-Kloster in Kyoto ein. Wir können mit Sicherheit annehmen, dass er ein sehr starkes Bestreben hatte und sich in der Pflicht sah, den wahren Buddhismus in Japan zu lehren und zu verbreiten und zwar genau so, wie er ihn unter Meister Tendo Nyojo in China studiert und erlernt hatte. Er schrieb im Kap. 1 des Shobogenzo: "Ein Gespräch über die Praxis des Zazen" (Bendowa), dass es wie eine schwere Last auf seinen Schultern lag, die er zu tragen hatte. Wir können daher feststellen, dass die Schrift "Allgemeine Richtlinien zum Zazen" (Fukan-Zazen-Gi) seine Ankündigung für den Beginn der Verbreitung der wahren Lehre des Buddhismus und Zazen in Japan ist.
Es gibt zwei verschiedene Fassungen von Fukan-Zazen-Gi: Eine hat die Bezeichnung "Shinpitsu-Bon" und die andere "Rufu-Bon". Die erste Bezeichnung besagt, dass diese Ausgabe in einer besonderen Kalligrafie der Schrift gesetzt ist, während die zweite bedeutet, dass es sich um eine in der Öffentlichkeit weit verbreitete also populäre Fassung handelt.
Shinpitsu-Bon war in chinesischen Zeichen geschrieben, die damals neu waren. Wegen seiner großen Bedeutung wurde es zum "Nationalen Schatz Japans" erklärt, es gehört auch zu den großen Schätzen des Eihei-ji Tempels und wird dort bis heute aufbewahrt.
Nachdem ich diese beiden Fassungen immer wieder gelesen und studiert habe, kam ich zu der Überzeugung, dass Rufu-Bon von Meister Dogen selbst häufig überarbeitet und verbessert wurde. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass Rufu-Bon eine vollkommene und gründlich schlussbearbeitete Fassung ist und am besten als Standardausgabe von Fukan-Zazen-Gi geeignet ist.

2. Übersetzung des authentischen Fukan-Zazen-Gi von Meister Dogen


Im Folgenden wird die neue wörtliche Übersetzung in der Fassung des Rufu-Bon wiedergegeben:
"Allgemein gilt, wenn wir nach der Wahrheit streben, dass die grundlegende Wahrheit das (ganze) Universum durchdringt und daher scheint es vollständig unnötig zu sein, dass wir auf der Praxis und der Erfahrung (des Zazen) aufbauen. Weiterhin sind die Methoden, um die grundlegenden Wesensmerkmale (der Wahrheit) zu erreichen, (doch) auf natürliche Weise vorhanden. Warum ist es daher notwendig, dass wir uns bis zur Erschöpfung anstrengen, (um die Wahrheit zu erlangen)?
In unserem Fall haben wir als Buddhisten bereits die gewöhnlichen (Schein-)Werte der menschlichen Gesellschaften vollständig wie Abfall und Staub verlassen. Warum ist es denn für irgendjemanden (überhaupt) erforderlich, an die Notwendigkeit der Methoden zu glauben, um jene (gewöhnlichen) weltlichen Werte wegzubürsten und wegzuwischen?
Allgemein gesagt haben wir die richtigen, geeigneten Umstände ( als Buddhisten) gar nicht verlassen. Warum ist es notwendig, dass wir überhaupt nur ein wenig der äußersten Fußspitzen (des Zazen) benutzen?
Wenn es jedoch nur die kleinste Lücke (bei der Wahrheit) gibt, dann wird diese Lücke größer und größer, so als ob sie der ungeheure Abstand zwischen Himmel und Erde wäre. Wenn sich nur der kleinste Unterschied zwischen richtig und falsch ein wenig einschleicht, müssten wir unseren Geist vollständig in auswegloser Verwirrung verlieren.
Selbst wenn wir außerordentlich stolz auf unser scharfsinniges intellektuelles Verständnis sind und (mental) umfassender intuitiver Entscheidungen fähig wären, erscheint es vollständig unmöglich zu sein, dass wir unsere Eigenschaft zu Überlegungen durch den Verstand ausklammern, um den kraftvollen Zustand des realen Handelns im Bereich der Wirklichkeit zu erlangen. Dies gilt auch (im mentalen Bereich), wenn wir eine scharfsinnige intuitive Erleuchtung in einem vollständig unabhängigen Bereich erlangen, wenn wir die höchste Wahrheit erlangen, wenn wir den menschlichen Verstand klären und wir elegant durch alle Lebenssituationen wandern. Es gilt auch, wenn wir ein starkes Vertrauen haben, dass unser Können beim intellektuellen Denken sicher Zugang zur wirklichen Welt gefunden hat und wenn wir einen starken und scharfsinnigen Geist haben, der den Himmel durchsticht.
Weiterhin können wir auch den klaren Fußspuren des Genies (Gautama Buddhas) von Jetavana Anathapindikarama folgen, der große Anstrengungen unternahm, sechs Jahre lang Zazen zu praktizieren. Wir können auch heute die Lehre des berühmten Meisters im Shorin-Tempel (Bodhidharma) hören, der neun Jahre lang mit dem Gesicht zur Wand Zazen praktizierte. Auch die großen alten Meister haben ähnliche hervorragende Beispiele gegeben. Wie kann es dann angehen, dass wir nur ein wenig Zeit des Tages verstreichen lassen, ohne Zazen zu praktizieren?
Daher sollten wir sofort mit den intellektuellen Anstrengungen aufhören, Worte zu analysieren und Reden zu verfolgen und wir sollten anfangen zu lernen, einen Schritt zurückzutreten und uns selbst zu beleuchten. (Dann wird das Bewusstsein von) Körper und Geist auf natürliche Weise sofort von uns abfallen und unser ursprüngliches Gesicht und unsere ursprünglichen Augen werden sich plötzlich offenbaren. Wenn wir eine solche Situation sofort erlangen wollen, sollten wir dies sofort tun, ohne überhaupt im Geringsten zu zögern.
Im Allgemeinen ist ein ruhiger Raum vorzuziehen, wenn wir Zazen praktizieren. Wir sollten mäßig essen und trinken. Die vielfältigen Umstände (des Alltages) sollten wir vollständig wegwerfen, alle Arten von Aufgaben beenden, nicht an Gut oder Schlecht denken und keine Sorgen über Richtig und Falsch haben. Die Unruhe des Geistes, des Willens und des Bewusstseins hört auf. Die Überlegungen durch Bilder, Gedanken und Intuition sollten enden, und beabsichtigt niemals Buddha zu werden! Ein solcher Zustand, Zazen zu praktizieren, hat nichts damit gemein, wie wir uns in unserem täglichen Leben hinsetzen und hinlegen.
An dem Ort, wo wir im Zazen sitzen, breiten wir normalerweise eine dicke Matte aus und benutzen ein rundes Kissen. Entweder verwenden wir die Haltung des vollen Lotussitzes oder des halben Lotussitzes. Beim vollen Lotussitz legen wir zuerst den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und dann legen wir den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Beim halben Lotussitz drücken wir mit dem linken Fuß den rechten Oberschenkel. Wir legen die Kleidung, die wir tragen, auf (die Füße und Oberschenkel), und achten darauf, dass sie geordnet und sauber ist. Dann haltet die rechte Hand über den linken Fuß und legt die linke Hand auf die rechte Hand, so dass sich die Spitzen der Daumen gegenseitig berühren. Dann bleibt in dieser Haltung und kontrolliert das Sitzen. Neigt euch nicht nach links und beugt euch nicht nach rechts. Sitzt nicht gekrümmt nach vorn und lehnt euch nicht nach hinten. Es ist notwendig, dass die Ohren und Schultern parallel (zueinander) sind. Die Nase und der Bauchnabel sollten (in einer Linie zueinander) gehalten werden. Legt die Zunge an den oberen Gaumen und haltet die Lippen und Zähne geschlossen. Die Augen sollten immer offen gehalten werden. Atmet sanft durch die Nase und nachdem ihr die Sitzhaltung kontrolliert habt, atmet einmal tief ein und lasst den Oberkörper nach rechts und links pendeln. Dann sitzt still ohne Bewegung, ähnlich wie ein Berg und „denkt“ den Zustand ohne Denken. Wie können wir den Zustand ohne Denken denken? Es unterscheidet sich vom (üblichen) Denken. Dies ist kurz gefasst genau die Methode des Zazen.
Was Zazen genannt wird, kann niemals das so genannte Lernen (mit einem bestimmten Ziel) während des Zazen sein, sondern es ist genau der friedliche und freundliche Zugang zum Dharma. Es ist genau die Verschmelzung von Praxis und Erfahrung, um die Wirklichkeit vollständig zu verwirklichen. Das Gesetz des Universums ist bereits verwirklicht worden und es gibt keine Möglichkeit, dass Netze und Käfige (der Verstrickung) Zugang bekommen, die den Praktizierenden einfangen können. Wenn wir diese Bedeutung bereits erfasst haben, sind wir wohl in derselben Lage wie ein Drache, der das Wasser bekommen hat oder ein Tiger, der aufrecht vor einem Berg steht und sich selbst mit dem Berg schützt. Wir sollten die Tatsachen kennen, dass die wahren Gesetze des Universums sich zuerst offenbaren und sowohl der Zustand des Trübsinns als auch der Lustbarkeit sofort zu Boden fällt.
Wenn wir uns vom Sitzen erheben, bewegen wir den Körper langsam und allmählich, dann sollten wir friedlich und glücklich aufstehen. Niemals sollte es hastig oder gewaltsam sein, wenn wir aufstehen. Wir haben seit den alten Zeiten gelernt, dass wir auf der Kraft des Gleichgewichtes aufbauen, die durch Zazen erlangt wurde. (Dies) überschreitet gewöhnliche Menschen und übersteigt Heilige; aus dieser Kraft kommt das (friedliche) Sterben während des Zazen und dass man sein Leben ( einfach) im Stehen verliert (, wie berichtet wird).
Außerdem kann der aufrichtige, wesentliche und sich verändernde Augenblick überhaupt niemals durch gedankliches Überlegen oder intellektuelles Unterscheiden verstanden werden. (Dieser sich ändernde Augenblick) gleicht dem Fingerzeig von Meister Gutei, dem Niederholen des Flaggenmastes von Meister Ananda, der Benutzung einer Nadel durch Meister Nagarjuna, um Kanadewa zu lehren, dem Schlagen des Blockes, der von Meister Manjusri benutzt wurde oder der Zustände tiefer Erfahrung, die durch einen Wedel, eine Faust, durch einen Stab oder einen Schrei gekennzeichnet sind. Wie wäre es möglich, dass sie durch mystische Fähigkeiten oder durch die Trennung von Praxis und (angestrebter) Erfahrung verstanden werden? Diese Meister sind wohl die würdevolle Form aus Stimme und Farbe. Wäre es denn möglich, dass sie sich von den Kennzeichen jenseits des Wissens und Sehens unterscheiden? Wir sollten daher niemals darüber diskutieren, ob wir von höherer Klugheit oder geringerer Dummheit sind. Wir sollten niemals einen klugen Menschen gegenüber einem törichten Menschen vorziehen. Wenn wir unsere Anstrengungen mit ganzem Herzen unternehmen, sollte dies nur dem Streben nach der Wahrheit dienen. Die Praxis und Erfahrung beschmutzen sich beim Zazen niemals gegenseitig und die Verhaltensweisen um voran zu kommen sind dann viel eher im Gleichgewicht und beständig. Innen bei uns selbst und außen in der externen Welt oder im westlichen (Indien) und östlichen Ländern haben wir die Merkmale des Buddhismus in gleicher Weise bewahrt. Wir offenbaren nur das Verhalten nach den tiefgründigen überlieferten Gewohnheiten, nämlich genau im Zazen zu sitzen, und sind durch den bewegungslosen Zustand gesammelt. Obgleich es tausende oder zehntausende Unterschiede (bei den Menschen) geben mag, praktiziert nur dieses Zazen und strengt euch an, nach der Wahrheit zu streben. Wie wäre es möglich, dass wir unseren eigenen Platz zum Sitzen dadurch vergessen, dass wir in andere staubige Länder gehen und von dort zurückkommen. Wenn wir einen Fehler bei dem kleinsten Schritt gemacht haben, müssen wir stolpern oder müssen genau im Augenblick (nicht korrigierbare) Fehler begehen. Wir sind zum Glück schon in der wichtigen Lage, einen menschlichen Körper zu haben. Wie wäre es daher möglich, dass wir auch nur ein wenig Zeit aufwenden, ohne überhaupt etwas Nützliches zu tun?
Glücklicherweise haben wir den menschlichen Körper und Geist bewahrt, welche die sehr wichtigen Grundlagen für das Streben nach der buddhistischen Wahrheit sind. Wie wäre es daher für irgendjemanden überhaupt möglich, vergeblich die seichteste flüchtige Freude zu genießen, die dem plötzlichen Funken des Feuersteins gleicht?
Außerdem ist die körperliche Substanz genauso vergänglich wie ein Tautropfen auf dem Blatt einer Pflanze. Die Umstände des menschlichen Lebens scheinen dem Aufblitzen eines Lichtstrahls zu ähneln. Er verliert sich plötzlich und ist sofort verschwunden.
Ich möchte daher jene höher stehenden Menschen, die praktizieren und nach der Wahrheit streben, bitten, sich nicht davor zu fürchten, dem wirklichen Drachen tatsächlich zu begegnen, obgleich sie sich an die verschiedensten Bilder und Nachahmungen vom Drachen gewöhnt haben! Strengt Euch bitte in der Praxis des Zazen an, die unmittelbar die Wahrheit aufzeigt. Verehrt Menschen, die das (falsche) Lernen (mit einem Ziel) beim Zazen überschritten haben und nicht irgendeine Absicht verfolgen. Werdet vollkommen eins mit der Wahrheit der Buddhas und empfangt authentisch den Zustand des Gleichgewichts der Vorfahren im Dharma. Wenn Ihr das Unfassbare (nämlich Zazen) praktiziert , ist es ausgeschlossen, dass Ihr nicht selbst dieses Unfassbare werdet. Das großartige Schatzhaus der Juwelen wird auf natürliche Weise geöffnet werden und Ihr habt die vollkommene Freiheit erlangt, die Juwelen zu bekommen und sie ohne irgendeine Behinderung zu verwenden.“

3. Erläuterungen und Kommentar


Meister Dogen hat in seiner Schrift Fukan-Zazen-Gi in großer Klarheit alles Notwendige über die Übungsmethode des Zazen geschrieben und was umgekehrt überflüssig ist, wird auch nicht beschrieben. Das dort Formulierte hat daher ohne jeden Zweifel sehr großen Wert und soll nun Satz für Satz untersucht und erläutert werden.

a) Bejahung der wirklichen Welt
Im Allgemeinen denkt ein Mensch, der eine idealistische Lebensphilosophie hat, dass seine Gedanken im Gehirn die höchste Wahrheit der Welt sind, und er glaubt fest daran, ohne dabei irgendwelche Zweifel zu haben. Daher sind solche Menschen fest davon überzeugt, dass die reale Welt, die sich selbstverständlich von ihren Idealen stark unterscheidet, immer unvollkommen und höchst unbefriedigend ist.
Andererseits gibt es Menschen, die eine materialistische Lebensphilosophie haben, für die es sonnenklar ist, dass die Welt nur aus Materie aufgebaut ist. Für sie ist die streng auf Materie aufgebaute Welt jedoch ebenfalls niemals zufrieden stellend. Aber wir leben nach der buddhistischen Lehre tatsächlich und wirklich in dieser einen Welt. Die Materialisten denken jedoch, dass es notwenig ist, diese Welt zu zerstören, um sie besser zu machen oder zumindest gut zu nutzen.
Im Buddhismus gibt es jedoch nur diese eine Welt, in der wir wirklich existieren und in der wir hier und jetzt leben. Daher ist es unbedingt notwendig, dass wir die Wirklichkeit der Welt voll bejahen. Wir können nämlich nicht anders als in dieser Welt zu leben und sie, wenn irgend möglich, ein bisschen besser zu machen, denn auch im Buddhismus verschließen wir nicht die Augen vor den Problemen und Mängeln der Realität. Meister Dogen sagt in aller Klarheit, dass die Menschen durchaus daran glauben, dass sie normalerweise in einer im Wesentlichen vernünftigen Gesamtsituation leben und dass es für sie deswegen leider oft überflüssig erscheint, durch Praxis und Erfahrung die Wahrheit zu suchen. Sie geben sich also zu schnell zufrieden und leiden deshalb viel mehr als nötig.

b) Wirklichkeit im menschlichen Leben
Wenn wir das wirkliche Leben der Menschen aber tatsächlich und ehrlich untersuchen, wird uns schnell klar, dass unsere Lebensbedingungen gar nicht so zufrieden stellend und einfach sind, wie wir uns gern einreden. Wenn z.B. ein eigentlich recht kleines Problem in unserem täglichen Leben auftaucht, wird dies oft immer größer und größer und es wächst so gewaltig an, dass es schließlich außerordentlich schwierig wird, dass wir es überhaupt noch lösen können. Wir glauben jedoch meist daran, dass wir mit einem guten Verstand und mit gefühlsmäßigen Entscheidungen "aus dem Bauch" ein großartiges Verständnis der aufgetauchten Probleme bekommen und sie dann lösen werden. Das eingebildete Verständnis des Problems lässt dabei einen starken, aber ungerechtfertigten Glauben an die Fähigkeiten unseres Verstandes entstehen. Dieser falsche Glauben ist oft so stark, dass wir keine Möglichkeit mehr haben, in den Bereich des wirklichen klaren und richtigen Handelns vorzustoßen und dieser Bereich liegt jenseits unseres eingeschränkten "Denkens" mit dem sog. Verstand.

c) Die Größe der alten Meister
Wenn wir die hervorragenden Meister aus den alten Zeiten genauer betrachten, erkennen wir, dass Gautama Buddha sechs Jahre lang im Jetanava Anathapindikarama Zazen praktizierte und der große Meister Bodhidharma insgesamt neun Jahre im Shorin-Tempel im Zazen saß. Diese hervorragenden Meister haben außerordentlich intensiv Zazen praktiziert und daher ist es dringend erforderlich, dass auch wir diese Übungspraxis durchführen, um zur Klarheit und Wirklichkeit vorzustoßen.

d) Wirklicher Inhalt des Zazen
Der wirkliche Inhalt der Praxis des Zazen kann niemals durch noch so tiefgründige intellektuelle Analysen mit Worten oder durch die Suche nach den Bedeutungen der geschriebenen oder gesagten Sätze erfasst werden. Er besteht vielmehr darin, dass wir die Richtung unseres Lichtes von außen nach innen lenken und uns sozusagen selbst erleuchten und widerspiegeln. Dann verschwindet das unklare Bewusstsein unseres Körpers und Geistes auf natürliche Weise und unsere ursprünglichen unverstellten Augen und unser ursprüngliches Gesicht offenbart sich tatsächlich. Wenn wir eine solche Wirklichkeit real erfahren wollen, so kann dies nicht mit Worten beschrieben werden und es ist unbedingt notwendig, dass wir diese Wirklichkeit durch das Handeln im Zazen realisieren. Die Praxis ist also für den Inhalt des Zazen maßgebend.

e) Umfeld der Zazenpraxis
Zur ungestörten Praxis des Zazen ist es vorteilhaft, wenn wir einen ruhigen Raum benutzen und mäßig essen und trinken. Wir sollten alle störenden Einflüsse und Bedingungen hinter uns lassen und alle unsere täglichen Aufgaben und Pflichten für eine Weile beenden. Wir sollten niemals nach Gut und Schlecht urteilen und entsprechend unterscheiden und wir sollten auch kein Interesse an Richtig und Falsch haben. Wir sollten alle Funktionen des Geistes, des Willens, des Verstandes und des Nachsinnens über Bilder beenden. Wir sollten auch verbale und andere Formen von Überlegungen und rein mentaler Intuitionen usw. aufgeben. Das ist das Wesentliche des Zazen. Außerdem sollten wir niemals den Ehrgeiz haben, ein Buddha zu werden. Die Gesamtsituation des Zazen unterscheidet sich vollständig von der normalen Art und Weise des Sitzens und Liegens in unserem sonstigen Leben.

f) Konkrete Vorbereitung und Durchführung des Zazen
Wir breiten normalerweise an dem Ort, wo wir sitzen, eine dickere Matte aus. In den Zeiten von Meister Dogen wurden derartige Matten in japanischen Häusern selten benutzt, so dass eine solche Matte speziell für die harten hölzernen Fußböden erforderlich war, um Zazen praktizieren zu können. Auf dieser Matte lag ein rundes Sitzkissen, das als Zafu bezeichnet wird.
Wir praktizieren Zazen entweder im vollen Lotussitz oder im halben Lotussitz. Wenn wir die volle Lotushaltung einnehmen wollen, legen wir zunächst den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und dann den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Beim halben Lotussitz drücken wir mit dem linken Fuß den rechten Oberschenkel. Im Falle des halben Lotussitzes benutzt Meister Dogen das Wort "drücken", und meint mit dieser Beschreibung wohl, dass die Beine weniger stabil ineinander verschränkt sind als beim vollen Lotussitz und wir etwas mehr Stabilität benötigen.
Wichtig ist die Frage, ob es erlaubt ist, dass wir die Beine beim Lotussitz von rechts nach links umtauschen dürfen, wenn sie z.B. eingeschlafen sind. Meister Kodo Sawaki erklärt ganz klar: "Meister Dogen hat (mit seiner Beschreibung) nur ein Beispiel angegeben" und wir können daraus schließen, dass es erlaubt ist, die Beine während des Zazen von links nach rechts und umgekehrt umzusetzen, wenn dies notwendig ist.
Die Kleidung sollte locker aber ordentlich über die Beine und Füße gelegt werden. Die rechte Hand sollte oberhalb des linken Beines und die linke Hand in die rechte Hand gelegt werden. Wenn die Lage der Beine umgekehrt ist, sollte auch die Lage der Hände entsprechend angepasst werden. Die beiden Spitzen der Daumen sollten sich leicht berühren und auf der Höhe des Bauchnabels gehalten werden.
Dann sollte man genau in der richtigen Zazenhaltung sitzen, ohne dass man nach links oder rechts geneigt ist, ohne dass man nach vorne kippt oder sich nach rückwärts lehnt. Die horizontale Linie der Schultern und der Ohren sollten parallel zueinander sein und die Nase und der Nabel sollten in einer Linie übereinander liegen, d.h. der Kopf wird etwas zurückgenommen.
Die Zunge liegt dabei am oberen Gaumen und die Lippen und die Zähne sollten geschlossen sein. Die Augen sollten immer etwas offen sein. Man atmet entspannt durch die Nase und wenn man die richtige Zazenhaltung eingenommen hat, sollte man zunächst einmal tief einatmen und den Oberkörper pendelnd nach rechts und links bewegen. Danach sollten wir ohne Bewegung wie ein Berg ruhig und fest sitzen und den Zustand erlangen, "zu denken, ohne zu denken." Wie können wir in diesem Zustand denken, ohne zu denken? Dies ist etwas ganz anderes als das übliche Denken. Zusammengefasst wird so die richtige Methode des Zazen beschrieben. Wir sollten aber auf keinen Fall annehmen, dass das "Denken über das Nicht-Denken" überhaupt eine Art des Denkens ist. Dies wäre ein schwerer Fehler, der aber leider immer wieder gemacht wird.

g) Das Wesentliche des Zazen
Die Praxis des Zazen ist niemals eine Willensanstrengung, um den ersehnten Zustand der Erleuchtung zu erlangen, sondern es ist nur der einfache und natürliche Zustand, der das Gleichgewicht von Körper und Geist im Universum schon verwirklicht hat. Es ist genau die vollkommen verwirklichte Wahrheit und die Verschmelzung von Praxis und Erfahrung. Das Gesetz des Universums ist dann bereits verwirklicht worden und keine Hindernisse und Begrenzungen sind überhaupt entstanden. Wenn wir angefangen haben, einen solchen Gesamtzusammenhang zu erkennen, sind wir wie die Drachen, die große Kräfte erlangt haben, weil sie das Wasser bekommen haben, oder wie Tiger, die stehend sich selbst vor einem großen Berg beschützen. Vor allem ist dann das Gesetz des Universums direkt vor uns verwirklicht worden und sowohl die trübe Dunkelheit, die durch ein stärkeres sympathisches vegetatives Nervensystem entsteht als auch die instabile Leichtigkeit, die durch ein stärkeres parasympathisches Nervensystem erzeugt wird, sind schon verschwunden. Wir sollten einen solchen wirklichen Zustand direkt und genau erfahren.

h) Beenden des Zazen
Nachdem wir die Zazenpraxis beendet haben, erheben wir uns langsam von dem Sitzkissen, wir sollten achtsam aufstehen und unser inneres und äußeres Gleichgewicht friedlich bewahren. Wir sollten dabei niemals hastig oder grob sein.

i) Wirkungen des Zazen
Wenn wir die reale Wirkung des Zazen anschauen, entsteht durch diese Übungspraxis etwas, das sowohl den Zustand von gewöhnlichen Menschen als auch von Heiligen überschreitet. Beim Zazen gibt es auch ein Beispiel für den friedlichen Tod während der Praxis und für den Tod, während man still dasteht. Dies ergibt sich aus der Wirkung der Zazenpraxis. In diesem Sinne hielt Meister Gutei in China immer seinen Zeigefinger hoch, um alle Fragen über die buddhistische Philosophie zu beantworten. Meister Ananda verwirklichte die Wahrheit, als er eine Fahnenstange niederholte. Meister Nagarjuna warf eine Eisennadel in das Wasser, um zu symbolisieren, dass er Mönch geworden war. Bodhisattva Manjusri benutzte dafür einen hölzernen Klöppel. Diese Beispiele haben immer ihre Ursache in der Praxis des Zazen. Wenn buddhistische Meister ihre Schüler lehren, benutzen sie einen Wedel, eine Faust, einen Stab oder stoßen einen Schrei aus. Solche Erklärungen und Beispiele können niemals durch die intellektuellen Fähigkeiten des Denkens oder durch Unterscheidungen erfasst werden. Es ist vielmehr eine Geste voller Würde und Kraft, die einen verbalen Ausdruck und die äußere Form bei weitem überschreitet. Wie könnten wir abstreiten, dass so etwas jenseits von intellektuellen Überlegungen oder simplen Wahrnehmungen durch die Sinne ist? Natürlich hatten die Menschen zur Zeit von Meister Dogen noch kein Wissen über das vegetative Nervensystem. Aber wir können annehmen, dass Meister Dogen ganz klar erkannte, dass die Wirkung des Zazen auf keinen Fall auf dem verstandesmäßigen Denken und der Sinneswahrnehmung beruht.

j) Unabhängigkeit von Klugheit oder Dummheit
Es ist nicht notwendig, dass wir intelligent diskutieren, und es ist nicht wichtig, ob Menschen klug oder dumm sind und ob wir sie gern mögen oder nicht. Wenn jemand ernsthaft Zazen praktiziert, tut er dies nur, um nach der Wahrheit zu streben und ihr zu folgen. Beim Zazen sind Praxis, Ziel, Ergebnis und Erfahrung vollständig miteinander verschmolzen, so dass sie nicht voneinander getrennt werden können. Alles dies geht vollständig in dieselbe Richtung und ist immer ausgeglichen und ewig.

k) Allgemeine Gültigkeit des Buddhismus
Der Buddhismus hat allgemein gültige Kennzeichen, die uns Gautama Buddha gelehrt hat, ganz gleich in welcher Region, in welchem Land und in welcher Kultur wir leben. Dies gilt also für die Länder in Indien, im Westen, in China, in Japan oder im Osten. Der Buddhismus beinhaltet ganz umfassend grundlegende menschliche Verhaltensweisen. Weil wir Zazen ernsthaft praktizieren, sind wir genau durch uns selbst gesteuert und vollkommen im Gleichgewicht. Obgleich es viele Unterschiede zwischen den Menschen gibt, sollten wir uns anstrengen, der Wahrheit zu folgen und dabei auf den Zustand des Gleichgewichtes im Zazen vertrauen. Es gibt wirklich überhaupt keine Notwendigkeit, den Platz zu verlassen, wo wir uns für die Zazenpraxis niederlassen und dann irgendwo verwirrt herumzulaufen. Wenn wir einen Fehler im gegenwärtigen Augenblick machen, müssen wir dies genau im jetzigen Augenblick zugeben und können den Fehler aber nicht mehr zurückholen und korrigieren. Glücklicherweise haben wir das überaus wertvolle Leben eines Menschen bekommen, und wir haben dadurch die große Fähigkeit, Zazen zu praktizieren. Daher sollten wir niemals unsere wertvolle Zeit verschwenden, indem wir uns sinnlos unnützen Spielereien und unsinnigen Hobbies hingeben. Wir sind schon im Besitz der wertvollen Praxis, die Gautama Buddha uns gegeben hat. Warum sollten wir unsere wertvolle Zeit überhaupt für irgendein nutzloses Vergnügen hergeben, das nur dem Zeitvertreib dient?

l) Dringende Bitte an alle Buddhisten in der ganzen Welt
Unser Körper ist vergänglich wie ein Tautropfen auf einem Blatt und die veränderliche Gesamtsituation unseres menschlichen Lebens hat große Ähnlichkeit mit einem kurzen Lichtblitz. Beides verschwindet ganz plötzlich und wird in dem Augenblick verloren, in dem es erscheint. Daher richtete Meister Dogen von ganzem Herzen die dringende Bitte an alle Buddhisten in der ganzen Welt:

"Weil wir uns seit langer Zeit an die künstlichen Bilder des Drachens gewöhnt haben, haben wir zu dem wahren Drachen kein Vertrauen und der ist Zazen!"

Ich möchte Euch bitten, Euch sehr um die Zazenpraxis zu bemühen, denn sie ist genau die Wahrheit, die sich durch sich selbst zeigt, wie sie ist. Achtet und schätzt bitte einen Menschen, der das einseitige Ansammeln von Wissen überwunden und vergessen hat, sich nicht für vordergründige Ziele aufzureiben. Setzt bitte Eure eigene Wahrheit mit der großen Wahrheit gleich, die viele alte Meister bewahrt haben. Fahrt fort, den Zustand des Gleichgewichts des vegetativen Nervensystems aufrecht zu erhalten, den viele buddhistische Vorfahren im Dharma authentisch an uns weitergegeben haben. Wenn solche Anstrengungen lange Zeit praktiziert werden, so kann dies bestimmt niemals mit Worten erschöpfend beschrieben werden. Die Tür zu dem wunderbaren Schatzhaus des Dharma wird dann geöffnet werden und es wird möglich sein, dass Ihr die Schätze dieses Hauses in eurem Leben in vollkommener Freiheit benutzen könnt.

4. Die Wirklichkeit und Missverständnisse beim Zazen

Nachdem ich Dogens Fukan-Zazen-Gi erklärt habe, möchte ich nun einige konkrete Anmerkungen hinzufügen.

a) Ohne die tägliche Zazenpraxis ist sie für uns weit gehend nutzlos
Zazen ist eine Übungspraxis, um den Zustand des Gleichgewichts des vegetativen Nervensystems zu verwirklichen. Weil dieser Gleichgewichtszustand im Augenblick wirksam ist, müssen wir unbedingt erneut und sobald wie möglich Zazen praktizieren, wenn wir aus irgendeinem Grund in unserem täglichen Leben unser Gleichgewicht verloren haben. Dann erreichen wir wieder schnell unsere innere und äußere Balance. Daher empfiehlt uns Meister Dogen regelmäßig viermal am Tag Zazen zu praktizieren.
Aber es gibt viele Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft seit jener Zeit, in der Meister Dogen lebte und daher sollten wir einen geeigneten Tagesablauf wählen, der für unsere tägliche Zazenpraxis sinnvoll ist. Heute leben die meisten von uns in einer modernen kapitalistischen Gesellschaft und wir benötigen normalerweise regelmäßiges finanzielles Einkommen durch unseren Beruf. Wenn wir daher jeden Tag Zazen praktizieren wollen, müssen wir eine gute Zeit hierfür finden, die mit unserem Tagesablauf harmoniert und mit unserem Berufsalltag zusammenpasst. Ich selbst praktiziere morgens 45 Minuten und abends 30 Minuten. Ich möchte daher allen Menschen in der Welt empfehlen, jeden Tag Zazen zu praktizieren und dies in ihren eigenen Tagesablauf einzubauen.

b) Missverständnis von "Satori" oder "Erleuchtung"
Im Buddhismus gibt es ohne Zweifel eine Tatsache, die "Satori" oder "Erleuchtung" genannt wird. Aber es ist leider auch eine Tatsache, dass es viele Missverständnisse und falsche Ziele zur Erleuchtung im Buddhismus gibt. Zum Beispiel bestehen manche darauf, dass sich unsere geistigen und körperlichen Bedingungen ganz plötzlich schlagartig verändern, wenn wir Zazen intensiv und sorgfältig praktizieren und dass sich dann sofort wunderbare Licht-Zustände offenbaren. Aber es ist sehr wichtig, dass wir klar erkennen, dass sich solche märchenhaften leuchtenden Wunder auf der Erde überhaupt nicht ereignen. Derartige Geschichten werden auf Grund von Übertreibungen und fantastischer Täuschungen in die Welt gesetzt. Weil wir nur in der wirklichen Welt leben, können wir hier und jetzt überhaupt nicht derartigen märchenhaften „Tatsachen“ begegnen, weil es sich in Wirklichkeit um Illusionen handelt. Wenn wir allerdings an die idealistische Lebensphilosophie glauben, können wir uns solche wunderbaren Geschichten erträumen und dann gut vorstellen. Wir Buddhisten sind jedoch Realisten und sollten solchen märchenhaften idealistischen Geschichten niemals trauen.
Außerdem gibt es noch andere Erzählungen, die auch mit der falsch verstandenen so genannten "Erleuchtung" verbunden sind. Einige Praktizierende des Buddhismus behaupten, dass wir in sehr seltsame körperliche Zustände gelangen, wenn wir intensiv und mit großer Anstrengung Zazen praktizieren und dass wir dann übernatürliche und fantastische Erlebnisse dabei haben können. Wenn wir aber extrem und ungesund leben und Zazen unter solchen schlechten Bedingungen praktizieren, ist es in der Tat wahrscheinlich, dass wir die verschiedensten körperlichen Ungereimtheiten und Verwirrungen erleben. Dann werden wir den gesunden und stabilen Zustand des Zazen sofort wieder verlieren. Daher ist es notwendig, dass wir im Einklang mit dem wahren Sinn des Zazen gesund sind und schon gar keinen extremen und ungesunden körperlichen Zustand anstreben.
Es gibt im Buddhismus also erhebliche Unklarheiten und Verwirrungen, die nicht zuletzt durch die gewaltigen Missverständnisse über die Erleuchtung entstanden sind. Meister Dogen erlag zunächst ebenfalls diesen Missverständnissen über die Erleuchtung, als er noch in Japan lebte und bevor er in China die wahre Zazenpraxis erlernte. Vor dieser Zeit war er auch sehr darauf bedacht, mit harter Zazenpraxis die Erleuchtung zu erlangen. Aber als er China besuchte, begegnete er seinem Meister Tendo Nyojo und dieser sagte in aller Kürze:

"Zazen zu praktizieren ist das Fallenlassen des Bewusstseins von Körper und Geist. Wenn wir genau Zazen praktizieren, können wir den Zustand (der Erleuchtung) sofort von Anfang an erlangen".

Als Meister Dogen dies zum ersten Male von Meister Tendo Nyojo hörte, verstand er schlagartig, was Erleuchtung war. Er erkannte in aller Klarheit, dass die erste Erleuchtung genau die Praxis des Zazen selbst ist.

c) Wahre Erleuchtung
Die wahre Erleuchtung im Buddhismus ist die Praxis des Zazen selbst. In der europäisch-amerikanischen Kultur, die uns so viel Gutes gebracht hat, gibt es u.a. zwei sehr wertvolle Kulturbereiche: Der eine ist das scharfsinnige und genaue intellektuelle Denken, das von so vielen hervorragenden Philosophen und Wissenschaftlern entwickelt wurde. Der andere Bereich ist die volle und klare Schönheit für die Sinne, die von so vielen hervorragenden Künstlern geschaffen wurde.
Im Buddhismus bemühen wir uns, sowohl die Bereiche des intellektuellen Denkens als auch der einfachen Sinneswahrnehmung zu überschreiten, um die wirkliche Welt selbst zu finden.
Auf der Grundlage des Zazen und durch das Gleichgewicht des vegetativen Nervensystems werden intellektuelles Denken und Sinneswahrnehmungen ausgeglichen und gewissermaßen zu Null gebracht. Dann können wir Menschen in der wirklichen Welt leben und das ist die Welt der Wahrheit auf eine ganz direkte Weise. Dies ist genau die erste Erleuchtung. Wenn wir mit anderen Worten an jedem Tag Zazen praktizieren und wenn wir unser vegetatives Nervensystem im Gleichgewicht halten, ist das genau die Zeit, in der wir erleuchtet sind.
Wenn wir fortfahren, jeden Tag Zazen zu praktizieren, können wir uns an jedem Tag im Gleichgewicht halten. Dann können wir die verschiedensten Probleme und Fragen unseres Lebens auch im theoretischen Bereich auf der Grundlage des Realismus durchdenken und dabei überwinden wir sowohl Idealismus und Ideologien als auch Materialismus und die Oberflächlichkeit des Äußeren. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Erfahrung eine wertvolle und sehr starke Kraft enthält, um die früheren idealistischen oder materialistischen, aber unbrauchbaren Angewohnheiten des Lebens auszulöschen, so dass wir genau in der vollständigen Wirklichkeit hier und jetzt glücklich leben können.
Durch eine solche Lebensweise können wir jeden Tag alle praktischen und theoretischen Probleme auf der Grundlage des Realismus durchdenken und lösen. Wenn wir vor allem auch die theoretischen und weltanschaulichen Probleme durch die buddhistische Lehre der Wirklichkeit gelöst haben, dann wird sich ein vollständiges Verstehen dieser Probleme durch den buddhistischen Realismus einstellen. Dies wird die zweite Erleuchtung genannt.
In den alten chinesischen Schriften gibt es die Beispiele von dem Meister Joshu Jushin und Meister Reiun Shigon, bei denen sich nach 30 Jahren die zweite Erleuchtung einstellte. Dies dauert also wirklich ziemlich lange. Aber wir müssen uns nicht mit Sorgen belasten, dass es zu viel Zeit dauert, bis wir die zweite Erleuchtung erlangt haben. Wenn wir nämlich jeden Tag Zazen praktizieren, können wir dabei sofort in die erste Erleuchtung eingehen. Wenn wir mit anderen Worten jeden Tag beim Zazen Erleuchtung erlangen, brauchen wir uns wegen irgendwelcher Probleme des Lebens keine Sorgen mehr zu machen.

d) Die Konzepte der Leerheit (Ku) und des Nichts (Mu) sind vollständig falsch
In einigen buddhistischen Gruppen behaupten heute viele, dass die grundsätzliche buddhistische Philosophie eine Art von Nihilismus sei und eine größere Zahl von buddhistischen Denkern vertritt auch die Ansicht, dass die buddhistische Theorie keine Wirklichkeit der Welt zulässt, so dass das nihilistische Denken typisch für den Buddhismus sei.
Ich bin der festen Überzeugung, dass eine solche Interpretation des Buddhismus vollständig falsch und irreführend ist. Dieses totale Missverständnis und die Gleichsetzung des Buddhismus mit dem Nihilismus hat wahrscheinlich seine Hauptursache in der falschen Übersetzung von Meister Nagarjunas Werk „Gesang des grundlegenden mittleren Weges“, (Mulamadhyamaka-karika, MMK) durch Kumarajiva ins Chinesische, einem alten indischen Gelehrten der chinesischen Sprache. Da ich die chinesische Fassung und den authentischen Text in Sanskrit gut kenne, bin ich zu diesem klaren Schluss gekommen. MMK wurde vermutlich im 3. Jahrhundert von Nagarjuna verfasst und im 4. Jahrhundert von Kumarajiva ins Chinesische übersetzt. Wenn wir jedoch den authentischen Text von MMK direkt in Sanskrit studieren, ist es ganz klar, dass Kumarajiva die wahre Bedeutung überhaupt nicht erkannt hat. Daher ist seine Übersetzung von MMK ins Chinesische nicht die wahre Bedeutung. Kumarajivas Übersetzung war Teil eines großen Übersetzungsprojektes der damaligen chinesischen Regierung und war daher in China voll autorisiert. Der Einfluss Kumarajivas war trotz seiner gravierenden Fehler bei der Übersetzung in Ostasien außerordentlich stark und wurde danach leider nicht ernsthaft angezweifelt. Aus diesem Grund bestehen orthodoxe buddhistische Denker bis zum heutigen Tag darauf, dass der Mahayana-Buddhismus in Ostasien eine Art von Nihilismus sei, und sie behaupten, dass die Welt nicht wirklich existiere, sondern ein abstraktes Bild der Leerheit sei.
Wenn wir jedoch MMK in Sanskrit sorgfältig in der authentischen Fassung lesen und studieren, wird uns klar, dass es sich dabei um grundlegendes buddhistisches Denken handelt, das erklärt, dass der Buddhismus eine Lehre der Wirklichkeit, also des Realismus ist. Es wird das feste Vertrauen dargestellt, dass diese Welt wirklich existiert.

e) Realismus im MMK bei Nagarjuna
Der authentische Text von MMK in Sanskrit macht in aller Klarheit deutlich, dass der Buddhismus ganz genau die Lebensphilosophie und Lebenswelt der Wirklichkeit ist. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. MMK gliedert sich in 27 Kapitel und bereits im ersten Kapitel wird dieser Realismus ohne jeden Zweifel klar aufgezeigt.
Das erste Kapitel von MMK hat die Bezeichnung "pratyaya" in Sanskrit und dies bedeutet "Glaube" oder "Vertrauen". Wir können daher Nagarjuna so interpretieren, dass er hiermit die verlässlichen Grundlagen der buddhistischen Lehre beschreibt, die das gesamte Werk von MMK durchziehen. In diesem ersten Kapitel beschreibt Nagarjuna, dass dies eine wirkliche Welt ist, wo alles so existiert, wie es wirklich ist. Daher wählte ich als Übersetzung "verlässliche Grundtatsachen" (in Englisch "reliable facts") als Überschrift für dieses Kapitel.
Das erste Kapitel umfasst 14 Verse. Im ersten legt Nagarjuna klar, dass "Subjektivität" genau so wenig wirklich ist, wie die sog. "Objektivität". Subjektivität ist die Übersetzung des Sanskritworts "svata" und Objektivität ist die Übersetzung von "parata". Für mich ist klar, dass mit dem Begriff "Subjektivität" unser subjektives Denken gemeint ist, das wir in unserem Gehirn erzeugen und mit dem Begriff "Objektivität" unsere scheinbar objektive Sinneswahrnehmung, die unsere Sinnesorgane reizt. Daher verstehe ich Nagarjuna so, dass die Ideen, die in unserem Gehirn erzeugt werden, keine Wirklichkeit sind, und dass auch die Wahrnehmung der Sinne, die aus der Reizung der Sinnesorgane entsteht, ebenfalls nicht wirklich ist. Nach meiner Interpretation lehnt Nagarjuna sowohl die Wirklichkeit von Ideen als auch von Sinnesreizungen ab. Daraus ergibt sich eindeutig, dass Nagarjuna sowohl die idealistische als auch die materialistische Philosophie in aller Klarheit verwirft.
Ich denke, dass die buddhistische Ablehnung sowohl des Idealismus als auch des Materialismus von außerordentlich großer Bedeutung ist, wenn wir die buddhistische Lehre richtig verstehen wollen. Daraus wird deutlich, dass der Buddhismus mit dieser Ablehnung auch eine starke Kritik an einseitigem überzogenen intellektuellen Denken und entsprechender Lebensphilosophie hat. Wo können wir in der Geistesgeschichte überhaupt eine Philosophie finden, die nicht auf dem reinen Denken und Intellekt beruht? Zur Lösung dieser Frage lehrt der Buddhismus grundsätzlich eine praktische Lebensphilosophie und damit eine Lebenswelt, die sich fundamental von einer intellektuellen Philosophie unterscheidet. Die strikte Ablehnung des Idealismus und Materialismus scheint für viele eine Bestätigung zu sein, dass buddhistisches Denken nihilistisch ist und dann mit Kumarajivas falscher Interpretation übereinstimmen würde. Die Tatsachen von MMK sprechen aber eine ganz andere Sprache und sagen genau das Gegenteil!
Wir können dieses klar aus dem zweiten Vers des ersten Kapitels entnehmen, in dem Nagarjuna vier Bereiche der wirklichen Existenz und damit der Wirklichkeit aufzeigt. Der erste Bereich ist die Vernunft als Gesetz des Universums, das alles Leben, die Erde und überhaupt alles durchdringt. Der zweite Bereich der Wirklichkeit ist die externe Welt, in der wir genau hier und jetzt leben. Der dritte ist der gegenwärtige Augenblick, in dem sich unser Handeln vollzieht. Der vierte ist die Wirklichkeit selbst, die identisch mit Gott ist. Nagarjuna versichert mutig und ohne Einschränkung, dass es keinen fünften Bereich gibt. Durch diese entschiedene Aussage können wir erkennen, dass er ein außerordentlich starkes Vertrauen in seinen eigenen buddhistischen Realismus hatte.
Im vierten Vers des ersten Kapitels sagt er weiter, dass die vier obigen Bereiche der Wirklichkeit identisch sind mit dem menschlichen Handeln im gegenwärtigen Augenblick.
Im neunten Vers vertritt er ganz eindeutig, dass unser wirkliches Handeln im gegenwärtigen Augenblick des täglichen Lebens dasselbe ist wie das ganze Universum. Er sagt also klar, dass unser wirkliches Handeln im gegenwärtigen Augenblick in der Tat identisch mit dem Universum selbst ist.
Ich glaube fest daran, dass diese Lehre der Wirklichkeit bei Meister Nagarjuna, bei Gautama Buddha, Meister Bodhidharma und Meister Dogen genau übereinstimmt. In allen Fällen handelt es sich um die eindeutige Lehre des buddhistischen Realismus.

f) Ein Platz für die Praxis des Zazen
Der Platz zur Zazenpraxis muss nicht notwendigerweise groß sein und Meister Dogen sagt hierzu: "Es ist ausreichend, dass wir so viel Raum haben, dass unser Körper sich dort (gut) aufhalten kann".

g) Die Sitzhaltung des Zazen
Beim Zazen ist die richtige Sitzhaltung von sehr großer Bedeutung und Meister Dogen beschreibt ganz konkret und genau die richtige Haltung. Daher sollten wir seine Anweisungen ganz genau und ernsthaft befolgen. Es gibt z.B. buddhistische Gruppen in Japan, die einen Stuhl für Zazen benutzen. Aber ich denke, dass eine solche nicht sehr brauchbare Haltung vermieden werden sollte.
Das Wichtigste beim Zazen besteht darin, dass das Rückgrat von den Beckenknochen bis zu den Schultern und zum hinteren Teil des Kopfes so gestreckt und senkrecht wie möglich in einer geraden Linie gehalten werden soll. Es ist daher notwendig, dass wir das Kinn ein wenig zurück und nach unten nehmen, um auf diese Weise das gesamte Rückgrat senkrecht zu fixieren. Ohne diese Haltung ist es sehr schwierig, die übliche Gedankentätigkeit während des Zazen auszuschalten. Ohne diese fixierte Sitzposition entsteht eine Nachlässigkeit im Zazen, die dazu führt, dass wir einen krummen Rücken haben und dadurch entstehen wiederum Irritationen, weil die Gedankentätigkeit von Neuem beginnt und wir durch bestimmte Ideen, Bewertungen und Gefühle gefesselt werden und uns verspannen.

h) Atmung beim Zazen
Obgleich es im Zazen verschiedene Formen gibt zu atmen, die durch Tradition oder Geschichten in bestimmten buddhistischen Gruppen übermittelt werden, denke ich, dass es das Sinnvollste ist, den Lehren von Meister Dogen direkt zu folgen, die er in Kapitel 5 seines Werkes Eihei-koroku (die laufende Nummer in diesem Absatz ist 390) gibt. Es handelt sich dabei um eine Aufzeichnung seiner formalen Lehrrede, die im Unterrichtsraum gegeben wurde. Es gibt von dem Werk Eihei-koroku eine sehr verlässliche Ausgabe, die von Meister Kishizawa I-an vor einigen Jahrzehnten im Eihi-ji Tempel herausgegeben wurde. Der spätere Abt von Eihi-ji; Meister Renpo Niwa hat diese Ausgabe neu drucken lassen (Kanazawa Bunko hat dieses Werk in Tokyo veröffentlicht). Für mich ist es klar, dass wir diese Ausgabe wegen ihrer großen Verlässlichkeit unbedingt benutzen sollten.
In dem Werk Eihei-koroku führt Meister Dogen aus, dass es zunächst von größter Wichtigkeit ist, die richtige Sitzhaltung genau einzuhalten, wenn er die Form der Atmung im Zazen beschreibt. Danach erläutert er im Einzelnen, wie geatmet werden sollte. Auch daraus wird klar, dass Meister Dogen der richtigen Sitzhaltung im Zazen neben dem Atmen eine außerordentlich große Bedeutung zuschrieb.
Zunächst lehnt Meister Dogen die willentliche Regulierung des Atmens strikt ab und unterstreicht die höhere Bedeutung des Zustandes unseres Geistes beim Zazen. Dies wird bekanntlich im Theravada-Buddhismus (Hinayana) besonders hervorgehoben. Wir können dabei erkennen, dass Meister Dogen den Buddhismus niemals als idealistische Lehre ansieht und er erklärt daher, dass eine rein idealistische Anstrengung, die bisweilen gelehrt wird, nicht der richtige Buddhismus sein kann. Er lehnt auch die Methode ab, die Atemzüge zu zählen. Dies wird auch in einigen buddhistischen Gruppen praktiziert. Dogen erklärt eine solche Methode für nicht korrekt.
Im Mahayana-Buddhismus gibt es manchmal die Vorschrift, dass wir langsam atmen sollen und dieses auch erkennen müssen oder dass wir schnell atmen müssen und dies ebenfalls erkennen sollen. Meister Dogen sagt demgegenüber, dass wir die wirkliche Tatsache des Atmens so nehmen sollten, wie sie ist und keine besonderen Anstrengungen in die eine oder andere Richtung unternehmen sollten. In anderen Mahayana-Gruppen gibt es wiederum die Vorschrift, mit dem Unterleib ein- und auszuatmen. Meister Dogen hält auch diese spezielle Methode des Atmens nicht für erforderlich.
Am Ende seiner Lehrrede beschreibt Meister Dogen schließlich seine eigene Vorstellung zum Atmen und sagt:

"Wenn wir kraftvoll sind, praktizieren wir Zazen. Wenn wir Hunger haben, essen wir und fühlen uns dann ausreichend gesättigt".

Aus diesen Worten geht deutlich hervor, dass die Praxis des Zazen unser kraftvolles Handeln im täglichen Leben ist und dass wir nicht irgendwelche gedanklichen Vorschriften benötigen oder besondere Verhaltensweisen erlernen müssen. Meister Dogen ermutigt uns, dass wir uns an der Praxis des Zazen erfreuen und uns keine Sorgen über irgendwelche Interpretation durch den Verstand machen müssen.

Samstag, 24. Februar 2007

Die buddhistische Praxis des Zazen

Wegen der großen Bedeutung des Zazen für den wahren Buddhismus werden im Folgenden die wichtigsten Eckpunkte zusammengestellt. Außerdem soll im nächsten Beitrag eine neue genaue Übersetzung mit ausführlicher Erläuterung des authentischen Textes „Allgemeine Richtlinie des Zazen“ (Fukan-Zazen-Gi) von Meister Dogen vorgestellt werden. Das Ganze ergibt also eine wirklich umfassende Beschreibung der Zazenpraxis.

1. Zazen und das altindische Yoga

Zazen ist eine ganz wesentliche Methode der Übungspraxis, die von Gautama Buddha in dieser Form zum ersten Mal im alten Indien angewendet wurde. Allerdings gab es dort schon viele hundert Jahre vorher eine andere besondere Praxis, nämlich Yoga. Die Lehren, die hinter der buddhistischen Praxis einerseits und dem Yoga andererseits stehen, unterscheiden sich jedoch in wesentlichen Bereichen und daher ist es nicht möglich, Buddhismus und Yoga gleichzusetzen.
a) Keine Lösung der Lebensprobleme nur durch Denken
Gautama Buddha erkannte, dass ein starker und damals nicht lösbarer Konflikt zwischen dem Idealismus (Sasvata-drsti) und dem Materialismus (Uccheda-drsti) vorhanden war, den es im Übrigen in fast allen Kulturen gegeben hatte und heute noch gibt. Er war fest davon überzeugt, dass es für den Menschen ganz unmöglich sein würde, überhaupt glücklich und zufrieden zu sein, wenn dieser tief greifende und ernste Konflikt zwischen den beiden entgegen gesetzten Weltanschauungen und Philosophien nicht gelöst werden könnte. Eine solche Lösung dieses schwer wiegenden Problems wurde in der ganzen Geschichte der Menschheit m. E. nur von Gautama Buddha selbst gefunden, und zwar zum ersten Mal. Wir müssen sagen, dass es selbst für Gautama Buddha unmöglich gewesen wäre, hierfür eine Lösung zu finden, wenn er damals nicht alles ihm überhaupt Mögliche geopfert hätte, um diese große Wahrheit für den Menschen zu erlangen.
Zunächst glaubte Gautama Buddha allerdings, dass die Wahrheit mit dem Verstand und durch Denken erreicht werden könnte, also durch geschultes menschliches Denkvermögen. Daher versuchte er zunächst eine solche Methode der damaligen Philosophie und des Denkens anzuwenden. Gautama Buddha besuchte deshalb Meister Alara Kalama und unternahm große Anstrengungen, dessen Gedanken zu verstehen, dass "die Menschen üblicherweise ursprünglich nichts haben". Er erkannte jedoch bald, dass es für niemanden möglich war, auf diesem Weg von dem tief greifenden Leiden im wirklichen Leben geschützt und befreit zu werden. Aber er setzte seine Anstrengungen in dieser Richtung weiter fort und ging zu Meister Udraka Ramaputra, der ihn die Idee lehrte, dass "keiner irgendetwas denken sollte und auch nicht denken sollte, nicht zu denken". Aber auch bei diesem recht anspruchsvollen Versuch konnte Gautama Buddha nicht von all den Schwierigkeiten, die er unbedingt überwinden wollte, befreit werden. Er erkannte daher in aller Klarheit, dass niemand durch irgendeine Art von Denken und Überlegungen gerettet werden könnte, ganz gleich, was für großartige und tief schürfende Gedanken, Überlegungen und Denksysteme es auch sein mochten.
b) Asketisches Leben
Gautama Buddha erkannte also, dass die Menschen niemals durch irgendeine Art von Denken glücklich werden könnten und ihm wurde klar, dass mit Gedanken allein, und seien sie auch noch so klug, das menschliche Glück nicht zu erreichen sei. Daher entschied er sich, einen radikal anderen Weg zu versuchen. Zu Anfang hatte er also geglaubt, dass es für ihn möglich sei, die Wahrheit durch wahres und tiefes Denken zu erlangen. Aber er war damit gescheitert und hatte die eigene bittere Erfahrung machen müssen, dass dies auf der Erde überhaupt nicht möglich ist. Daher wollte er nun mit ganzem Herzen eine andere Methode erproben, die im alten Indien recht bekannt war, nämlich die Askese.
Es gab im alten Indien viele verschiedene Formen der asketischen Praxis und Gautama Buddha ging in jene Wälder, in denen viele Asketen zusammen lebten. Zusammen mit ihnen führte Gautama Buddha ein ehrliches, sehr willensstarkes und hartes asketisches Leben. Weil er die Wahrheit auf der Grundlage dieser asketischen Übungen erlangen wollte, erlaubte er sich selbst nicht den geringsten Kompromiss und die geringste Nachlässigkeit oder irgend einen Kompromiss, und so wird berichtet, dass er mehrfach bei der Praxis bewusstlos wurde. Weil er in seinem äußerst harten asketischen Leben nicht die geringsten Kompromisse einging, gab es, nachdem er das asketische Leben begonnen hatte, mehrfach Gerüchte, dass Gautama Buddha wegen seiner äußerst harten asketischen Praxis gestorben sei. Nachdem er lange Zeit derart unnachgiebig gegen sich selbst praktiziert hatte, erkannte er jedoch langsam, dass es für die Menschen überhaupt unmöglich ist, durch irgendeine Art von Askese in das Gleichgewicht und zu einem erfüllten glücklichen Leben zu gelangen. Daher entschied er eines Tages unvermittelt, sein asketisches Leben vollständig zu beenden. Einige andere Asketen in den Wäldern dachten, dass Gautama Buddha sein asketisches Leben wegen der übergroßen Schmerzen aufgegeben hätte. Daher verlachten ihn dort viele der Asketen aus ganzem Herzen. Aber Gautama Buddha, dem es sehr ernst war, die Wahrheit zu erlangen, hatte dabei überhaupt keine emotionale Reaktionen und keine Gewissensbisse. Er verließ die Wälder ruhig und allein und kümmerte sich nicht um die anderen, denn er war sich ganz sicher, dass er die Erleuchtung, Wahrheit und die Befreiung vom Leiden auf diese Weise nicht erlangen konnte.
c) Praxis des Zazen
Als Gautama Buddha nach Beendigung seines asketischen Lebens sich mühsam mit schweren unsicheren Beinen am Ufer des Flusses Nairanjana entlang schleppte, sah ihn das Mädchen Sujata aus einem nahe gelegenen Dorf. Sie war von seinem elenden Zustand tief berührt und gab ihm mit Milch gekochtem Haferschleim als Stärkung. Gautama Buddha labte sich außerordentlich an einer recht kleinen Portion Haferschleim. Wir können es gut nachempfinden, wie sehr er dies genoss, als er nach den unsagbaren Entbehrungen mit ganzem Herzen die kleine Portion Haferschleim aß. Wir können annehmen, dass er sich voll Staunen fragte: "was ist Nahrung?", "was ist Essen?", "was bedeutet es zu leben?" und "was ist die Wirklichkeit?"
Nach den voran gegangenen gescheiterten Versuchen des philosophischen Denkens und der harten Askese begann für ihn nun ein "ganz normales" Leben.
Aber sein unnachgiebiger Wille, die Wahrheit zu erlangen, war niemals schwach geworden und daher begann er mit einer neuen Praxis. Das war Zazen. Viele Jahrhunderte bevor Gautama Buddha geboren wurde, gab es in Indien bereits sehr spezielle Praktiken, die Yoga genannt wurden. Man konnte dabei recht verschiedenen Arten von Yogahaltungen vor allem im Sitzen unterscheiden. Gautama Buddha wählte davon zwei besonders geeignete Sitzhaltungen aus, den halben Lotussitz oder den ganze Lotussitz. Es wurde gesagt, dass diese beiden die schwierigsten aller damaligen Yogahaltungen waren. Aber Gautama Buddha wählte intuitiv von Anfang an hoffnungsvoll diese schwierigen Haltungen aus und setzte seine Praxis jeden Tag fort. Und nachdem er lange praktiziert hatte, übte er an einem Tag morgens früh Zazen und erblickte die Venus im Osten am Himmel. In diesem Augenblick erfuhr er plötzlich und unerwartet, dass er nicht mehr im Denken und nicht in der Sinneswahrnehmung gefangen war, sondern dass er nur in der Wirklichkeit selbst saß und lebte. Das war es, was er so lange gesucht hatte!
d) Verwirklichung
Diese Erfahrung der Wirklichkeit und Wahrheit ist die wesentliche Grundlage der buddhistischen Lehre überhaupt. Gautama Buddha setzte dann die Praxis des Zazen weiter fort. Vor seiner Zeit glaubten viele Inder an die Religion des Brahmanismus, die eine typische idealistische Philosophie zur Grundlage hatte. Viele Menschen hatten aber auch den Glauben an den Materialismus oder Skeptizismus, der z.B. von den Philosophen gelehrt wurde, die wir als die "sechs nicht-buddhistischen Denker" kennen. Gautama Buddha fand, dass Idealismus allein niemals die Wahrheit sein könne und dass auch Materialismus und Skeptizismus unmöglich die Wahrheit sind. Aber die Wirklichkeit und der Realismus, die er nach der Praxis des Zazen gefunden hatte, waren genau die Wahrheit selbst.
Die verschiedensten Philosophien und Weltanschauungen, die in der Menschheitsgeschichte entstanden waren, lassen sich fast alle auf den Idealismus oder Materialismus zurückführen. Es ist nahezu unmöglich für uns, irgendeine andere Weltanschauung oder Philosophie zu finden, die zum Realismus von Gautama Buddha gehört. Es ist wirklich sehr seltsam, dass wir Menschen, obgleich wir eigentlich immer in der Wirklichkeit leben, diese wichtige Tatsache nicht bemerken können. In diesem Sinne müssen wir für den außerordentlichen Wert des Buddhismus in der menschlichen Geschichte dankbar sein. Wir müssen unbedingt die Lehre der Wirklichkeit und des Realismus studieren, die von Gautama Buddha zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte gefunden und klar entwickelt wurde.

2. Zazen und das vegetative Nervensystem

In der letzten Zeit sind von Medizinern, Psychologen, Physiologen und anderen Wissenschaftlern mit gründlicher wissenschaftlicher Forschung Untersuchungen zur Bedeutung und zum Wesen des Zazen durchgeführt worden. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Studien, die als wirklich verlässlich einzustufen sind und veröffentlicht wurden. Als ich selbst vor etwa sechzig Jahren vermutete, dass die Bedeutung und der Inhalt des Zazen mit dem Zustand des vegetativen Nervensystems (auch autonomes Nervensystem genannt) direkt zusammenhängen, war dieser Ansatz äußerst selten. Daher fand ich für meine Vorstellungen damals nur wenig Unterstützung. Trotzdem war ich fest davon überzeugt, dass meine Vermutung einer engen Beziehung von Zazen mit dem vegetativen Nervensystem in geeigneten wissenschaftlichen Untersuchungen erhärtet werden könnte, wenn diese von ausgezeichneten Wissenschaftlern sorgfältig durchgeführt würden. Ich war wirklich sehr optimistisch, dass meine Annahmen einer äußerst engen Verknüpfung durch moderne wissenschaftliche Klärungen der wirklichen Tatsachen der Zazenpraxis bald bewiesen werden könnten.
Der tatsächliche Fortschritt in der Wissenschaft war jedoch nicht so rasch, wie ich gehofft hatte, und so musste ich einige Jahrzehnte warten, bis sich meine Hoffnungen auf genaue wissenschaftliche Untersuchungen hierzu erfüllten. Erst jetzt hat sich in aller Klarheit gezeigt, dass eine ganze Reihe von Wissenschaftlern erfolgreich die psychologischen Theorien des Halbbewussten oder Unbewussten klären konnten und nun in der Lage sind, auch sog. mystische Inhalte religiöser Fragen gründlich und fundiert zu erforschen. Dazu bedarf es natürlich auch einer Offenheit und Bereitschaft für diese Fragen, die leider nicht alle Wissenschaftler haben.
Ich habe in diesem Zusammenhang vor allem die psychologischen Arbeiten des amerikanischen Psychiaters Karl Menninger studiert, insbesondere die Bücher mit den Titeln "The Human Mind", "Man Against Himself" und "Love Against Hate". Das Buch "Man Against Himself" erklärt die psychologischen Zusammenhänge von Menschen, die selbstmordgefährdet sind. Der Autor vertritt die klare Ansicht, dass ein Mensch, der Suizid begangen hat, nicht etwa schwach, sondern dass er oder sie im Gegenteil meist sehr stark und aggressiv war. Ein solcher Mensch neigt zunächst dazu, jemand anderen aggressiv anzugreifen. Aber wenn aus irgendeinem Grund die Attacke gegen den anderen nicht erfolgreich ist, richtet er außerordentlich starke aggressive Energien gegen sich selbst, so dass er oder sie sich selbst tötet. Diese Umstände und Zusammenhänge sind beim Suizid in vielen Fällen sehr real beweisbar. Als ich diese Aussage von Karl Menninger gelesen hatte, war es mir nicht möglich, die Aussage des Autors abzulehnen. Mir wurde klar, wie gefährlich die Situation einer sehr aggressiven Haltung gegen andere aber auch gegen sich selbst ist und dass diese darauf beruht, dass das sympathische Nervensystem als Teil des vegetativen Systems viel zu stark ist und unkontrolliert losschlägt.
Karl Menninger gab als Lösung für dieses Problem an, dass das Gefühl der Liebe in diesem Fall nachhaltig gestärkt werden muss, damit die Energien von Liebe und Hass sich ausgleichen und ein Gleichgewicht erreicht wird. Das Gefühl der Liebe ist nämlich vorherrschend, wenn das andere parasympathische vegetative Nervensystem besonders stark ist. Karl Menninger bestand also darauf, dass sowohl ein zu starkes sympathisches als auch ein zu starkes parasympathisches vegetatives Nervensystem unnormal und für den Menschen sehr gefährlich ist. Mit anderen Worten haben wir Menschen also die große Aufgabe, unser vegetatives Nervensystem ins Gleichgewicht zu bringen, um folgenschwere Schäden in der einen oder anderen Richtung zu vermeiden. Als ich dies gelesen hatte, konnte ich die Bedeutung der japanischen und chinesischen buddhistischen Begriffe "Jijuyo Zanmai" wesentlich besser verstehen. Das Wort " Jijuyo" besteht aus zwei Teilen, nämlich "Jiju" und "Jiyo"; "Ji" bedeutet "selbst" und "yo" bedeutet "benutzen". Daher lautet die Übersetzung von "Jiju" in Deutsch sich "selbst zu empfangen" und der Teil "yo" im Gesamtbegriff "Jiyo" bedeutet "benutzen" oder "gebrauchen". Daraus ergibt sich die Bedeutung von "Jiyo" in Deutsch "sich selbst benutzen", also aktiv zu handeln. Jetzt war mir klar, dass "sich selbst zu empfangen" eine eher passive Funktion des parasympathischen Nervensystems bedeutet und "sich selbst zu benutzen" eine ziemlich aktive oder sogar aggressive Funktion des anderen sympathischen Systems ist. Auf der Grundlage dieser Überlegungen der buddhistischen Lehre und Praxis dachte ich, dass ich das fundamentale grundsätzliche Prinzip des Buddhismus verstanden hatte: Im Gleichgewicht sich selbst zu empfangen und aktiv zu handeln.
a) Buddhistischer Realismus
Ich bin daher der festen Überzeugung, dass die Zeitalter der menschlichen Geschichte in den beiden Phasen, nämlich in die Unterteilung in Religionen einerseits und Wissenschaft andererseits, oder was gleich bedeutend ist, in Idealismus und Materialismus zu Ende gehen. Ich glaube, dass nunmehr das Zeitalter begonnen hat, in dem wir ohne Zweifel den bisherigen gewaltigen Widerspruch dieser zwei sehr verschiedenen und durchaus wertvollen aber einseitigen Kulturströmungen des Idealismus und Materialismus zu überwinden haben. Dies wird das Zeitalter sein, in dem sich die hervorragende Lehre der Wirklichkeit, also des Realismus, durchsetzt. Es gibt wahrscheinlich einen ganz grundlegenden Unterschied von Idealismus und Materialismus, so dass es logisch gesehen nicht möglich erscheint, beide zu einer Einheit zu verschmelzen. Glücklicherweise besitzen wir jedoch durch die Leistung und Güte von Gautama Buddha die sog. vier Lebensphilosophien und haben nun die Möglichkeit, das Problem des bisherigen Gegensatzes dieser beiden widersprüchlichen Weltanschauungen zu überwinden. Gautama Buddha lehrte die Einheit von theoretischer und praktischer Philosophie. Wir können daher die zwei obigen entgegen gesetzten Philosophien in eine größere Einheit einbringen, wenn wir die vier Lebensphilosophien von Gautama Buddha verstehen und in unserem praktischen Leben umsetzen.

3. Die Wirklichkeit und Meister Dogens Merkmale des Zazen

Wir haben jetzt mit der großen Frage zu tun, was Zazen eigentlich ist und ich denke, dass uns Meister Dogen hierzu vier wichtige Merkmale an die Hand gegeben hat.
a) Hi Shiryo: Nicht denkenDas japanische Wort Hi bedeutet Verneinung, also "nicht" oder "das Gegenteil" und Shiryo bedeutet "Überlegung" oder „Denken“. Daher bedeutet Hi Shiryo "Nicht denken". Daraus ergibt sich etwas sehr Wichtiges für Zazen: Zazen ist also niemals verstandesmäßiges Denken oder die Konzentration auf ein bestimmtes Problem, das mit dem Verstand durchdacht werden soll. Genauso wenig ist Zazen Wahrnehmung, sondern es ist das Handeln und Sitzen selbst.
Eine der verschiedenen buddhistischen Richtungen wird Zen genannt. Bei einigen dieser Linien scheint es wiederum so, dass Zazen eine Übungspraxis ist, in der der Übende mit Sorgfalt und Konzentration über schwierige philosophische Probleme nachdenken und sie lösen soll. In diesem Sinne gibt der Lehrer seinen Schülern oft paradoxe Geschichten, die eine philosophische Diskussion beinhalten, und die Koan genannt werden. Dann streben die Schüler mit aller Kraft danach, die Bedeutung dieser Koans zu verstehen, während sie Zazen praktizieren. Nach meinem Verständnis ist diese Interpretation der Zazenpraxis jedoch nicht korrekt.
Meister Dogen lehrte uns im Gegensatz dazu ganz klar, dass Zazen auf keinen Fall eine Übungspraxis ist, bei der man mit dem Verstand ein Problem bearbeiten und verstehen soll und es ist auch keine Praxis des ziel- und zweckgerichteten Denkens. Vielmehr ist Zazen nur das Sitzen in der genau überlieferten, richtigen Sitzhaltung. Wir müssen daher davon ausgehen, dass Zazen niemals Denken und verstandesmäßige Überlegung ist, sondern das Handeln des Sitzens selbst in der genau richtigen Haltung.
Wir Menschen haben uns daran gewöhnt, dass die zentralen Bereiche unserer Kultur einerseits der Verstand und Intellekt und andererseits die genaue Sinneswahrnehmung durch externe Sinnesreize sind. Im Buddhismus sehen wir dies ganz anders. Wir sind fest davon überzeugt, dass der wesentliche Kern unserer wahren Kultur unsere ganzheitliche intuitive Fähigkeit ist, die tatsächliche Situation der Welt direkt zu erfassen und zwar so, wie sie wirklich ist und entsprechend zu handeln. Der Buddhismus schätzt daher die Übungspraxis des Zazen in hohem Maße, weil wir im Zazen die ganze und umfassende Wirklichkeit direkt und tatsächlich erfahren können.
b) Shoshin Tanza: Wahres Sitzen in der richtigen SitzhaltungZazen umfasst nicht nur den geistigen, sondern auch den körperlichen, physischen Bereich. Daher beschreibt Meister Dogen sein zweites Merkmal des Zazen als Shoshin Tanza; Sho bedeutet "wahr" oder "etwas richtig machen", Shin bedeutet "Körper", Tan bedeutet "richtig" und Za bedeutet "Sitzen". Daher bedeuten die Worte Shoshin Tanza genau in der wahren Sitzhaltung richtig zu sitzen.
Zazen ist eine Art des Handelns und eine Handlung des Seins. Daher ist es nicht auf den geistigen Bereich beschränkt, also nicht an die Bedingungen unseres Geistes geknüpft, sondern es umfasst auch immer unseren ganzen körperlichen Bereich. Meister Dogen sagte stets, dass Körper und Geist eine Einheit bilden. Wenn wir den Körper durch richtiges Sitzen in der wahren Sitzhaltung im Gleichgewicht halten, ist auch der Geist auf natürliche Weise im Gleichgewicht. Daher sollten wir sorgfältig darauf achten, dass wir die richtige körperliche Sitzhaltung im Zazen haben.
c) Shinjin Datsuraku: Körper und Geist fallen lassenDiese Formulierung wurde seit den alten Zeiten immer wieder gründlich missverstanden und das richtige Verständnis ist sehr wichtig. Dieses Missverständnis hat dabei wesentlich mit der Tatsache zu tun, dass es sich auf die Funktion des damals unbekannten vegetativen Nervensystems bezieht. Vor dem 19. Jahrhundert gab es keinerlei klares Wissen in der Menschheit über das vegetative Nervensystem und daher war die richtige Bedeutung der Formulierung "Körper und Geist fallen lassen" für viele nicht verständlich. Denn in der Tat ist das richtige Begreifen dieses Ausdrucks eng mit der Funktion des vegetativen Nervensystems verbunden.
Dieses gliedert sich wie erwähnt in die zwei Bereiche, nämlich das sympathische und das parasympathische Nervensystem. Oft sind die Kräfte dieser beiden Teilsysteme nicht im Gleichgewicht oder sogar im Konflikt miteinander und dann ist das eine stärker als das andere und überwiegt insgesamt. Wenn zum Beispiel das sympathische Nervensystem zu stark ist und nicht im Gleichgewicht ist, neigen wir zu übermäßiger Aktivität, zu übermäßigem Denken, zu Hektik und auch zu Angst. Wenn das parasympathische Nervensystem demgegenüber zu stark und nicht im Gleichgewicht ist, haben wir die Neigung, nachlässig, bequem und faul zu sein und es fehlt uns an Motivation und Antrieb. Wenn wir aber Zazen praktizieren, sind das sympathische und parasympathische Nervensystem gleich stark; sie gleichen sich also aus und sind im Gleichgewicht. Wir haben dann automatisch das Bewusstsein, dass weder das sympathische noch das parasympathische Nervensystem zu stark ist.
Daher ist das Gleichgewicht im Zazen ein Zustand, in dem sich Plus und Minus ausgleichen und sozusagen Null sind. Wir haben dann ein Bewusstsein, als ob Körper und Geist fallen gelassen worden sind und Körper und Geist nicht mehr wie früher vorhanden sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gleichgewicht im Zazen das reine Nichts ist, dass also alle Fähigkeiten des Körpers zu fühlen nicht mehr existieren und dass auch die Fähigkeiten des Geistes zu denken ebenfalls fehlten. Es bedeutet vielmehr, dass durch das Gleichgewicht im Zazen die extremen Zustände und schmerzlichen Schwankungen des Lebens beendet werden und dass die Überbetonung der einen Seite und die Unterdrückung der anderen aufhören. Dann gibt es ein Leben ohne Gleichgewicht gar nicht mehr. Das ist die wahre Bedeutung des Ausdrucks "Köper und Geist fallen lassen" oder Shinjin Datsuraku.
Wir sollten außerdem verstehen, dass das Fallenlassen von Körper und Geist auch bedeutet, dass sowohl die einseitige materialistische als auch die idealistische Sichtweise fallen gelassen werden und verschwinden.
d) Shikan Taza: Nur SitzenWie ich bereits betont habe, ist Zazen weder verstandesmäßige Überlegung noch konzentrierte Sinneswahrnehmung. Zazen ist genau das wirkliche Handeln im gegenwärtigen Augenblick. Schon aus diesem Grund kann Zazen also niemals Überlegung und niemals Wahrnehmung sein. Es ist wirklich allein Sitzen und daher sagt uns Meister Dogen: "Nur Sitzen!" Das ist die Bedeutung von Shikan Taza. Wir sollten uns daher immer wieder im Klaren sein, dass Meister Dogen uns dringend empfiehlt: "Nur Sitzen!"
In diesem Sinne ist es für uns vollständig nutzlos, über Zazen tiefgründig nachzudenken und kluge Bücher zu lesen, uns also nur verstandesmäßig damit zu beschäftigen oder auch dass wir anderen genau zuschauen, wenn sie Zazen praktizieren.
Meister Dogen sagt am Ende seiner Anleitung zum Zazen (Fukan-Zazen-Gi):
"Ich bitte Euch eindringlich, edle Freunde, die ihr (die Wahrheit) durch
die Erfahrung lernt, erschreckt nicht vor dem wahren Drachen, weil ihr Euch an
seine Abbilder gewöhnt habt. Richtet Eure Anstrengungen auf die Wahrheit, die
direkt zugänglich und unkompliziert ist. Verehrt die Menschen, die aufgehört
haben, (theoretisch) zu studieren und die keine (egoistischen) Absichten
verfolgen. Seid im Einklang mit der Wahrheit (bodhi) der Buddhas und werdet
wahrhaftige Nachfolger des Samadhi der Vorfahren im Dharma. Wenn Ihr einen
solchen Zustand eine lange Zeit lang praktiziert, werdet Ihr sicher zu einem
solchen Zustand selbst werden. (Dann) wird sich das Schatzhaus des Dharmas auf
natürliche Weise öffnen und Ihr werdet (ihn) empfangen und benutzen können, wie
Ihr wollt."


4. Tägliches Leben und die Praxis des Zazen

Es bringt nichts, wenn wir nicht regelmäßig und jeden Tag Zazen praktizieren. Obgleich wir vielleicht an einem bestimmten Tag das Gleichgewicht erreichen, wenn wir Zazen praktiziert haben, fallen wir an einem anderen Tag wieder zurück, wenn es für uns nicht möglich ist, Zazen zu praktizieren. Dann können wir die Balance des vegetativen Nervensystems nämlich nicht mehr halten. Wenn wir nur unregelmäßig und hin und wieder Zazen praktizieren, wird es bei uns bestimmte Tage geben, an denen wir im Gleichgewicht sind und uns gut fühlen und andere, an denen wir das Gleichgewicht überhaupt nicht erreichen oder halten können. Dies liegt daran, dass wir einmal in der Balance sind und sie ein anderes Mal verloren haben. Unter solchen instabilen Bedingungen werden wir die Erfahrung machen, dass es uns einmal sehr gut und anderen Tagen sehr schlecht geht und dass wir unstet hin- und herschwanken. Wenn wir daher jeden Tag glücklich und im Gleichgewicht sein wollen, ist es für uns notwendig, dass wir ohne Ausnahme jeden Tag Zazen praktizieren.
a) Notwendigkeit der Zazenpraxis mindestens zweimal pro Tag:
Weil die Zazenpraxis durchgeführt wird, um jeden Tag im Gleichgewicht zu halten, gelingt dies umso besser, je häufiger wir Zazen praktizieren. Wir können dann das Gleichgewicht dauernd aufrechterhalten. Meister Dogen rät uns in seinem Buch mit dem Titel "Die Methode nach der Wahrheit zu streben" (Bendu-Ho) viermal am Tag Zazen zu praktizieren. Dieses Buch gehört zu "Die reinen Regeln des Eihei-Tempel" (Eihei Shigi) des Soto-Buddhismus. Die Perioden der Zazenpraxis im Eihei-Tempel gliedern sich wie folgt: 1) "Der frühe Morgen" (Doya), 2) "Nach dem Frühstück" (Soshin), 3) "Nach dem Mittagessen" (Hoji) und 4) "Am Abend" (Okon). Wir sollten daher den Vorgaben des Buches Bendu-Ho so weit wie möglich folgen, die Meister Dogen uns gegeben hat.
Wenn wir aber an die Realität unseres normalen Alltags denken, wird der Unterschied zwischen dem 13. Jahrhundert, als Meister Dogen lebte, und dem 21. Jahrhundert, in dem wir jetzt leben, sehr deutlich. Im 13. Jahrhundert hatten viele Länder eine feudalistische Gesellschaft, die auf der Agrarproduktion vor Ort aufbaute. Heute, im 21. Jahrhundert, haben die meisten Länder eine demokratische Organisation und eine industrielle, kapitalistische Gesellschaftsstruktur, so dass lange Wege zur Arbeit erforderlich sind. In dem Zeitalter von Meister Dogen konnten viele Menschen davon leben, dass sie die Äcker und Felder bestellten. Demgegenüber müssen wir heute unser Einkommen in den verschiedensten Berufen erzielen, um leben zu können und sind tagsüber meist nicht zu Hause. Selbst wenn wir uns fest vornehmen würden, vier Mal am Tag Zazen zu praktizieren, ist das faktisch fast unmöglich. Daher empfehle ich, dass wir regelmäßig zweimal am Tag Zazen praktizieren und uns damit zufrieden geben. Wir haben selbstverständlich auch die Möglichkeit, von Zeit zu Zeit an einer intensiven Sesshin teilzunehmen oder können dann längere Zeit und ungestört praktizieren. Auch wenn wir deshalb vielleicht doppelt so viele Jahre benötigen, um die zweite Erleuchtung wie viele hervorragende alte chinesische buddhistische Meister vor uns zu erlangen, können wir die erste Erleuchtung jeden Tag erreichen, wenn wir jeden Tag Zazen praktizieren! Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass die erste Erleuchtung genau die Praxis des Zazen im gegenwärtigen Augenblick ist. Die zweite Erleuchtung ist das vollständige Verstehen der gesamten buddhistischen Lehre, das auf dem ehrlichen täglichen Leben des Übenden und auf der Grundlage der Zazenpraxis beruht. Wenn wir fortfahren jeden Tag Zazen zu praktizieren, können wir andauernd in den Zustand der ersten Erleuchtung eingehen und unser tägliches Leben mit großer Freude leben.
b) Wie lange sollten wir in Zazen sitzen?
Wir können uns z.B. für Sitzperioden von 15, 30 oder 45 Minuten usw. entscheiden. Wenn wir Anfänger sind, sollten wir zunächst besser eine kürzere Zeitdauer wählen und sie dann entsprechend unserem Fortschritt erhöhen.
c) Ort für die Praxis
In Fukan-Zazen-Gi von Meister Dogen heißt es, dass "ein ruhiger Ort besser ist", so dass wir einen solchen gegenüber einem unruhigen Platz vorziehen sollten. Aber wir müssen dabei nicht perfektionistisch sein. Es ist überhaupt nicht notwendig, dass wir einen besonders gut geeigneten Ort, z.B. tief in den Bergen, für die Praxis benutzen. Normale einfache und ruhige Plätze unseres täglichen Lebens sind ausreichend für uns, um Zazen zu praktizieren.
Für den Sitzplatz heißt es in Fukan-Zazen-Gi weiter, dass "wir einen Platz einnehmen sollten, der groß genug ist, dass wir uns dort (gut)aufhalten können". Daher reicht also ein Ort, an dem wir bequem sitzen können.
d) Kleidung
Über die Kleidung sollten wir uns keine besonderen Gedanken machen, aber der sog. buddhistischen Kashaya sollten wir durchaus besondere Aufmerksamkeit widmen, da sie seit den Zeiten Gautama Buddhas und des alten Indien benutzt und traditionell getragen wird. Sie verbindet uns symbolisch eng mit Gautama Buddha selbst. Tatsächlich haben wir ein erhabenes und heiliges Gefühl, wenn wir die Kashaya tragen, so dass wir dabei tiefe Freude und wahres Glück empfinden können. Ich denke auch, dass es für niemanden ein besonderes Problem ist, die Kashaya zu tragen. Es ist übrigens ohne Zweifel erlaubt, dass jeder die Kashaya trägt, selbst wenn er an der Zeremonie, in der man die Gelöbnisse ablegt, noch nicht teilgenommen hat. Wenn wir in den speziellen Läden eine Kashaya aus Seide bestellen, werden wir vermutlich überrascht sein, wie teuer sie ist. Aber es ist durchaus zulässig, als Material Kunststoffe wie Nylon usw. zu wählen, anstatt viel Geld für die traditionelle teure Seide auszugeben. Es ist weiterhin erlaubt, dass die Kashaya mit der Maschine genäht wird. Ich bestehe nicht darauf, dass die Kashaya mit der Hand selbst genäht werden muss. Es gibt im Übrigen in dem Verlag "Daihorin-Kaku" ein japanisches Buch mit dem Titel "Untersuchung der Kashaya" (Kesa no Kenkyu), das eine genaue Beschreibung enthält, wie man eine Kashaya näht. Wenn dieses Buch ins Englische oder Deutsche übersetzt würde, wäre es sicher eine große Hilfe für alle, welche die Kashaya selbst nähen wollen. In der Dogen-Sangha gibt es außerdem einige Mitglieder, die selbst eine Kashaya gut mit der Hand nähen können und sich einmal im Monat treffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen.

Sonntag, 18. Februar 2007

Wirklichkeit im Buddhismus

1. Die Vernunft durchdringt das ganze Universum

Am Ende unserer vorherigen Untersuchung des Buddhismus sind wir bei dem Problem der buddhistischen Wirklichkeit angekommen. Bei diesem Thema stellt der Buddhismus mit Nachdruck fest, dass es für uns sehr schwierig ist, die Wirklichkeit mit Worten zu beschreiben, weil sie überaus umfassend, sehr weit, überaus komplex aber auch sehr direkt ist usw. Im „ Die Schatzkammer des Wahren Dharma-Auges“ (Shobogenzo) von Meister Dogen gibt es das Kapitel 29 mit dem Titel "Es" (Inmo) und dies bedeutet etwas, das mit Worten schwierig oder gar nicht zu beschreiben ist. Das Wort "Inmo" wird im Chinesischen häufig verwendet, es wird auch z. T. mit "Das" übersetzt und bezeichnet aber meist etwas Unfassbares.
Im Buddhismus ist die Bedeutung des Wortes "unfassbar" jedoch niemals eine Art von Mystizismus oder Ungenauigkeit, sondern drückt die Wirklichkeit selbst direkt vor uns aus, die alle Dinge und Phänomene unmittelbar umfasst und heilig, vielfältig und überaus komplex ist. Nicht zuletzt deshalb halte ich es für ausgesprochen sinnvoll, dass wir die Wirklichkeit mit der buddhistischen Methode der vier bereits dargestellten Lebensphilosophien erfassen und damit gute Lösungen für unsere täglichen Probleme finden und verwirklichen.
In diesem Zusammenhang gibt es ein ganz hervorragendes Werk, das die wahre Bedeutung der buddhistischen Lehre im alten Indien treffend beschreibt. Es handelt sich um das Buch:„Gesang des grundlegenden Mittleren Weges“ (Mulamadhyamaka-karika, in Zukunft abgekürzt MMK) von Meister Nagarjuna. MMK besteht aus 27 Kapiteln und das erste beginnt mit folgenden Versen:
"Nicht Subjektivität, niemals Objektivität, nicht beides, aber niemals ohne Vernunft.Die Phänomene werden genau erkannt und die (Vorstellung) der (dauerhaften) "Existenz" gibt es nirgendwo, sie ist vollständig Nichts."

Dies bedeutet, dass die Subjektivität oder was wir in unserem Gehirn überlegen und denken, nicht als Wirklichkeit real vorhanden ist. Genauso wenig gibt es die sog. Objektivität, also das, was wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen, als Wirklichkeit. Mit anderen Worten, was wir in unserem Gehirn denken, ist keine Wirklichkeit und auch was wir durch unsere Sinnesorgane wahrnehmen, ist genauso wenig die Wirklichkeit. Diese beiden Sätze sagen nicht mehr und nicht weniger aus, als dass weder die Philosophie des Idealismus noch die des Materialismus wahr ist. Die Wirklichkeit ist allerdings niemals ohne Vernunft.
Im zweiten Vers von MMK heißt es:
"Die vier verlässlichen Grundtatsachen sind Vernunft, die externe Welt, der gegenwärtige Augenblick, und genau die Wirklichkeit wie Gott. Eine fünfte verlässliche Grundtatsache existiert überhaupt niemals".

Als ich diese Verse las, wurde mir klar, dass Meister Nagarjuna ein starkes Vertrauen in seine buddhistische Lehre hatte und ich selbst habe diesen buddhistischen Glauben nachhaltig angenommen. Meister Nagarjuna sagt, dass es nur vier verlässliche Grundtatsachen gibt: Vernunft, die externe konkrete Welt, den gegenwärtigen Augenblick und die umfassende Wirklichkeit selbst. Er sagt in aller Klarheit, dass es eine fünfte verlässliche Grundtatsache nicht gibt.
Ich denke, dass seine erste Sichtweise der Wirklichkeit, die auf der Grundlage der vier Lebensphilosophien gedacht wird, die Vernunft sein mag, die das ganze Universum durchdringt. Zum Beispiel denkt eine Person A, dass die Addition von 1 plus 1 die Zahl 2 ergibt und eine andere Person B denkt ebenfalls, dass 1 plus 1 gleich 2 sein muss. Daher haben wir die Tatsache anzunehmen, dass 1 plus 1 gleich 2 überall im Universum richtig ist. Es ist völlig ausgeschlossen, dass wir überhaupt eine solche einfache Tatsache im Universum abstreiten. In diesem Sinne ist es vollkommen unmöglich, dass ich überhaupt die wirkliche Existenz der Vernunft im Universum ablehnen kann.

2. Die externe Welt

In der buddhistischen Lehre wird die Wirklichkeit in einem ersten Schritt als Vernunft gekennzeichnet, die das ganze Universum durchdringt. In einem zweiten Schritt müssen wir uns dann der externen Welt zuwenden, in der wir jetzt genau in der konkreten Realität leben. Wenn wir diese Frage auf der Grundlage der intellektuellen Philosophie des Idealismus angehen und die Wirklichkeit nur im Verstand ansiedeln, ist es unmöglich, dass wir auch die externe Welt außerhalb unseres Geistes als die Wirklichkeit erkennen. Aber beim buddhistischen Realismus und der Annahme der vier Lebensphilosophien ist es sinnvoll, dass wir die Welt und das Universum als konkrete externe Welt begreifen und zwar von einer anderen Seite als von der Vernunft des Geistes. Aus der Sicht des Buddhismus ist die Wirklichkeit die externe Welt selbst, die wir direkt vor uns anschauen und erleben.
Ich möchte dies anhand der externen politischen Welt erläutern: Unter den vielen Himmelskörpern gibt es das Sonnensystem, zu dem der Planet mit der Bezeichnung „Erde“ gehört. Die dortige menschliche Kultur, die sich auf der Oberfläche der Erde entwickelt hat, ist zweifellos eine Art von Wirklichkeit. Wir leben jetzt in der historischen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts, und die Menschheit hat sich in der Geschichte der Kulturen seit mindestens einigen tausend Jahren entwickelt, aber das ist Geschichte. In einer solchen Wirklichkeit empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit auf Grund der Tatsache, dass die USA und die UDSSR 1991 zusammen gekommen sind und nicht in einem furchtbaren dritten Weltkrieg gegeneinander gekämpft haben. Vor dieser Versöhnung konnte ich kaum davon ausgehen, dass die beiden großen Mächte und Länder überhaupt zum Frieden finden. Damals dachte ich, dass im Falle eines dritten Weltkrieges sicher weit mehr als zehn Prozent der Erdoberfläche zerstört würden. Wie bei den Atomexplosionen in Hiroshima und Nagasaki 1945 hier in Japan ist die Zerstörungskraft der Atom- und jetzt der Wasserstoffbomben ganz gewaltig und hat seitdem noch unglaublich zugenommen. Auch damals konnten wir uns überhaupt nicht vorstellen, dass es eine derartige katastrophale Zerstörungskraft geben könnte. Seit den damaligen atomaren Zerstörungen sind nun ca. 60 Jahre vergangen und nach allen Informationen, die wir haben, wäre die Zerstörungskraft in den neunziger Jahren noch viel gewaltiger und katastrophaler gewesen.
Wir alle müssen außerordentlich dankbar sein, dass nicht zuletzt durch die großen Anstrengungen der USA und UDSSR der dritte Weltkrieg tatsächlich verhindert worden ist. Wir können uns von ganzem Herzen über solche glücklichen Umstände freuen, ja wir können von tiefer Freude erfüllt sein, dass die Menschheit nicht so dumm war, sich selbst mit den nuklearen Waffen zu zerstören, die wir Menschen nach so langer Entwicklungszeit und mit so großen Anstrengungen selbst erzeugt haben.
Ich habe da eine vielleicht etwas eigenartige Idee über die menschliche Geschichte, dass nämlich die Historie der Menschheit dem Wettbewerb in einer bestimmten Sportart sehr ähnlich ist. In der frühen Geschichte der Menschheit gab es viele Stämme und kleine Völker, die ihre eigene kaum entwickelte Kultur und Zivilisation hatten. Wenn es zu Wettbewerb und Kampf kam, gab es in der letzten Konsequenz Kriege, die darüber entschieden, wer den anderen durch den Kampf unterwarf. Derartige Kämpfe um die Vorherrschaft haben sich in der menschlichen Geschichte immer wieder ereignet. Schließlich wollten die USA und die UDSSR im Jahre 1991 den großen letzten Kampf ausfechten, aber glücklicherweise hatte die Menschheit die große Kraft, diesen letzten Kampf zu vermeiden. Wenn wir den wirklichen Zustand dieser Welt bedenken, können wir feststellen, dass das große „Finale“ des Wettkampfes in der Welt ohne Kampf beendet wurde. Ich vermute, dass der Gewinner eines solchen letzten Kampfes die USA gewesen wären. Die USA hätten nun die große Chance, ihre Armee zu einer Art wirkungsvoller Weltpolizei umzuwandeln. Alle Länder in der Welt hätten dann die Möglichkeit, ihre eigenen Armeen sozusagen in die einzelnen Abteilungen dieser Weltpolizei einzugliedern. Mit anderen Worten denke ich, dass wir Menschen in der Lage sein könnten, die Chance zu nutzen, eine Regierung für die ganze Welt zu schaffen. Sicher mag dies für die meisten Menschen viel zu optimistisch gedacht sein, als dass dies ernsthaft erwogen wird. Aber ich denke, dass wir unsere großen Anstrengungen darauf richten sollten, einen Friedensplan ins Leben zu rufen, um die Weltsituation zu verbessern und nicht durch wirklich außerordentlich dumme Verhaltensweisen unsere wertvolle Kultur mit Krieg zu zerstören und in Schutt und Asche zu legen.
Ich habe die große Hoffnung, dass die Menschheit in Zukunft nicht so töricht und wahnsinnig ist, die Kernwaffen auf der Erde zu benutzen, um die jetzigen großartigen und überaus wertvollen Kulturen und Zivilisationen auf dieser Erde zu zerstören.

3. Das Handeln im gegenwärtigen Augenblick und das Universum.

Ich habe bereits die Wirklichkeit 1) als Vernunft erklärt, die das ganze Universum durchdringt und 2) als die externe Welt, die direkt vor uns existiert. Wenn ich jedoch die Wirklichkeit wesentlich praktischer und in ihrer wahren Bedeutung fassen will, wird klar, dass eine Interpretation der Wirklichkeit als Vernunft allein doch nur eine verstandesmäßige Überlegung ist. Auch die zweite Interpretation der Wirklichkeit als externe Welt, die direkt vor uns existiert, bezieht sich vor allem auf die wahrnehmbaren Bilder, die von unseren Sinnesorganen erfasst und im Gehirn verarbeitet werden. Wenn wir die Wirklichkeit in der buddhistischen Lehre darüber hinaus direkt und unmittelbar erfassen wollen, müssen wir wesentlich weiter gehen und dann sind wir beim wirklichen Handeln im gegenwärtigen Augenblick angekommen.
Im Buddhismus verstehen wir das Handeln in der Vergangenheit aber lediglich als eine Erinnerung daran und ein Handeln in der Zukunft nur als eine Erwartung oder Annahme. Auch in der Gegenwart muss man genau unterscheiden, ob es sich lediglich um die Vorstellung oder das Erkennen handelt, das sich auch nur in unserem Geist abspielt. Eine solche Verstandestätigkeit und ein solches Erkennen des Handelns im Geist ist aber niemals das wirkliche Handeln selbst im gegenwärtigen Augenblick. Meister Nagarjuna hat diesen Unterschied der wirklichen Erfahrung des buddhistischen Handelns im Gegensatz zur Vorstellung in seinem Werk „Gesang des grundlegenden Mittleren Weges“ (MMK) genau herausgearbeitet. In gleicher Weise finden wir diesen direkt an der Wirklichkeit orientierten Ansatz im Shobogenzo von Meister Dogen und insbesondere in den Kapiteln 23 "Das reine würdevolle Handeln der Buddhas" (Gyobutsu-yuigi) und im Kapitel 37 "Das Erlernen der Wahrheit mit Körper und Geist" (Shinjin-gakudo). Ein solches vollkommen wirkliches Handeln kann niemals in der Vergangenheit oder in der Zukunft vor sich gehen, weil die Erinnerung an die Vergangenheit nur aus Bildern oder Gedanken besteht. Die Erwartung über die Zukunft umfasst ebenfalls nur Vorstellungen und Bilder. Beides kann niemals die volle Wirklichkeit sein, sondern es ist nur ein Bruchteil dieser Wirklichkeit und muss oft sogar als verzerrt, übertrieben oder untertrieben bezeichnet werden.
Wir sollten daher in aller Klarheit erkennen, dass nur das wirkliche Handeln im gegenwärtigen Augenblick die Einheit mit der großen Wirklichkeit ist, und dies kann man fast als die Substanz schlechthin bezeichnen. Wir sollten erkennen, dass dieses Handeln bei allen Buddhisten das Wirkliche ist und dass ein solches Handeln im gegenwärtigen Augenblick ein zentrales Merkmal des gesamten Buddhismus überhaupt ist. Wenn wir dieses wirkliche Handeln nicht in der Praxis des Zazen erfahren, können wir den wirklichen Buddhismus überhaupt nicht vollständig erfassen und erfahren. Im neunten Vers des ersten Kapitels von MMK heißt es hierzu wie folgt:
"Wenn sich das Gesetz des Universums noch nicht offenbart hat, ist unsere Fähigkeit zur Selbststeuerung (im Gleichgewicht) noch nicht erschienen.Wenn unsere ruhelosen Gehirnfunktionen noch nicht reguliert worden sind, sind die verlässlichen Grundtatsachen auch sehr ungenau. "
Dieser Vers bedeutet, dass unser wirkliches Handeln, das hier Selbststeuerung genannt wird, überhaupt nicht erscheint, bevor das Universum nicht wirklich erschienen ist. Bevor jedoch die geistigen Bedingungen von uns selbst noch nicht im Gleichgewicht sind, kann auch das wirkliche Universum nicht klar erkannt werden.
In der zweiten Zeile des Verses wird entsprechend betont, dass das Universum direkt vor uns noch keine Klarheit hat, bevor unsere geistigen Bedingungen nicht richtig gesteuert, also im Gleichgewicht sind. Zusammenfassend kann man daher sagen, dass das wirkliche Handeln sich niemals offenbaren kann, ohne dass sich das Universum offenbart und wenn unser geistiger Zustand noch nicht richtig gesteuert ist, sind die verlässlichen Grundtatsachen oder die Wirklichkeit sehr vage und ungenau.
M.E. drückt dieser Vers die vollständige Übereinstimmung des Universums mit unserem eigenen Handeln im gegenwärtigen Augenblick aus. Der Buddhismus sagt in aller Klarheit, dass ohne das Universum unser Handeln im gegenwärtigen Augenblick gar nicht existieren kann und dass umgekehrt ohne unser wirkliches Handeln das Universum nicht klar erscheint. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Grundsatz sehr wichtig für die gesamte buddhistische Lehre ist. Um es noch einmal zu wiederholen: Die Identität des Handelns im gegenwärtigen Augenblick mit dem Universum selbst ist die zentrale Grundlage des buddhistischen Realismus.
Als ich diesen Vers von Meister Nagarjuna zum ersten Mal las, war es für mich wirklich unmöglich, seinen Inhalt und seine Bedeutung überhaupt zu verstehen. Aber nachdem ich ihn immer wieder studiert und durchdacht habe, wurde mir klar, dass im Buddhismus das grundlegende Prinzip gilt, dass unser wirkliches Handeln im gegenwärtigen Augenblick und das wirkliche Universum beim Handeln ganz genau die Vorder- und Rückseite der einen ungeteilten Wirklichkeit sind. Auf dieser Grundlage kann der Buddhismus eine vollständig unabhängige auf die Wirklichkeit bezogene Lehre für das Leben werden und unterscheidet sich damit von allen bisherigen theoretischen philosophischen Systemen, die für das praktische Handeln doch nur eine sehr geringe Bedeutung haben oder sogar gefährlich sind.
Wenn man daher der Sichtweise der buddhistischen Lehre folgt, macht es überhaupt keinen Sinn, sich immer wieder und wieder und eventuell sogar zwanghaft mit der Vergangenheit zu befassen. Es gibt keine konstruktiven und substanziell wertvollen Lebenswirklichkeiten in der Vergangenheit, selbst wenn wir uns über schwere frühere Fehler immer wieder große Sorgen machen. In derselben Weise hat es wirklich keinen Sinn, sich dauernd ängstlich, sorgenvoll oder aber euphorisch mit der Zukunft zu beschäftigen, auch wenn wir immer wieder gewaltige Träume über eine herrliche oder aber furchtbare gedachte Zukunft haben. Dies ist weitgehend verlorene Zeit für die Gegenwart und Wirklichkeit unseres Lebens.
Gautama Buddha erkannte, dass es für alle Lebewesen wirklich großes Glück bedeutet, ehrlich im gegenwärtigen Augenblick des Gleichgewichts zu leben und zu arbeiten. Diese Lehre ist wohl der wichtigste Grundsatz, den Gautama Buddha uns gelehrt hat.
Unser Leben besteht niemals nur aus Ideen und niemals nur aus Sinnesreizungen, sondern das wirkliche Leben bedeutet, sich für eine sinnvolle Aufgabe ehrlich und aufrichtig im Zustand des Gleichgewichts einzusetzen, zu leben und zu arbeiten.

4. Gott, das Universum und der Buddhismus.

In dieser Einführung in den Buddhismus möchte ich nun meine Gedanken zu Gott und dem Buddhismus darlegen. Viele buddhistische Wissenschaftler meinen, dass Buddhismus ein Atheismus ohne Gott ist. Ich habe in meinem langen Leben viel über diese Frage nachgedacht und kann einer so einfachen Lösung der Frage nach Gott und Buddhismus auf keinen Fall zustimmen. Im Christentum sind z.B. die Fragen nach Gott von größter Bedeutung und es gibt dazu viele Überlegungen und tiefgründige Aussagen. Es ist daher auch für mich eine große Verpflichtung, der Gottesfrage sorgfältig und genau nachzugehen.
Wenn wir bedenken, was es mit dem Universum wirklich auf sich hat, wird deutlich, dass dies überhaupt nicht einfach zu verstehen ist. Wenn wir z.B. an das Sonnensystem denken, muss eigentlich jeder daran zweifeln, dass sich diese großen schweren Himmelskörper überhaupt im Raum halten können. Unser wissenschaftliches Verständnis hat sich sicherlich außerordentlich entwickelt und wir kennen die Tatsache, dass alles im Universum der Schwerkraft unterliegt. Wenn wir jedoch weiter fragen, was der Grund für diese geheimnisvolle Tatsache der Schwerkraft ist, dann müssen wir zugeben, dass es wirklich sehr schwierig ist, deren Ursache herauszufinden. Schon diese kurze Überlegung zeigt, dass wir zugeben müssen, dass die Welt, in der wir jetzt gerade leben, entgegen unseren Erwartungen oft äußerst geheimnisvoll und wunderbar ist.
Gleichzeitig müssen wir zugestehen, dass die Welt oder das Universum durch eine bestimmte Ordnung gesteuert wird. Auf jeden Fall müssen wir feststellen, dass die Welt sehr genau einem Gesetz des Universums folgt. Diese Welt besteht also aus irgendeiner Art von geordnetem Gesamtsystem und ist durch ein Gesetz des gesamten Universums gesteuert.
Aber in dieser Welt gibt es auch eine Fülle von wilder Energie, die irgendwie blind ist. Wir können daher den Schluss ziehen, dass die Welt zwar in irgendeiner Weise ein blinder und geheimnisvoller Raum ist, aber dass sie durch irgendwelche vernünftigen Regeln gesteuert und in einer Ordnung gehalten wird.
Wem ist es nun überhaupt möglich, eine solche blinde Welt sinnvoll zu steuern? Wenn ich tiefer über diese verschiedenen Fragen nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass nur die Menschen selbst in der Lage sind, derartige oft blinde Energien sinnvoll zu steuern, da diese Energien sich nicht selbst regulieren können. Ich denke, wenn die Menschen nicht außerordentlich sorgfältig diese großen Energien in die richtige Richtung lenken, ist es wohl schwierig, die Welt auch nur in dem Zustand zu halten, den sie jetzt hat. In einer solchen Lage denke ich, dass die Menschheit gut beraten ist, die internationalen Beziehungen zwischen vielen unabhängigen Ländern gut zu pflegen. Dabei ist es wichtig, dass möglichst in allen Ländern dieser Welt gute ökonomische Bedingungen herrschen.
Je genauer ich diese Fragen und die vielen ernsten Probleme in der Welt untersuche, desto mehr kommt mir der radikale Widerspruch zwischen Idealismus und Materialismus in den Sinn. Religiöse Menschen haben eine Sehnsucht nach Spiritualität und folgen dabei ihrer idealistischen Philosophie und verachten materielle Werte. Dagegen erkennen andere Menschen, die auf der Grundlage des Materialismus leben, überhaupt keinerlei spirituelle Werte an, sondern streben mit großem Einsatz nach ökonomischen Werten und Vorteilen, machen dabei die idealistische Lebensweise lächerlich. Wie ist es bei einer so schlechten Ausgangslage möglich, dass die Menschen, die zwar in den selben Gesellschaften leben, aber vollständig gegensätzlicher Meinung sind und sich oft in erbitterter Feindschaft gegenüberstehen, überhaupt zusammen kommen und Harmonie erreichen können? Ich selbst bin der festen Ansicht, dass es für die Menschheit unmöglich ist, friedliche Beziehungen für die einseitig verfeindeten idealistischen und materialistischen Fronten aufzubauen und zu pflegen.
In einer solchen Lage kann die Welt überhaupt niemals zu einer Einheit zusammenwachsen, wenn wir die beiden sich unversöhnlich gegenüber stehenden Weltanschauungen, nämlich Idealismus und Materialismus, beibehalten. Das Ziel einer harmonischen und friedlichen Welt kann also auf keinen Fall erreicht werden, wenn diese beiden einseitigen Sichtweisen und Philosophien sich immer wieder aufs Neue bekämpfen. Dabei entsteht fast automatisch die tiefgründige Frage nach Gott. Jeder weiß, wie stark die Liebe religiöser Menschen zu Gott ist. Wenn man bei diesen Problemen weiterkommen will und die Liebe zu Gott weiter bestehen soll, stellt sich die außerordentlich wichtige Frage, wie und ob religiöse Menschen über die bisherige, meist zu enge idealistische Weltanschauung hinaus gelangen können. Natürlich müssen wir auch damit rechnen, dass sie eventuell den Glauben an den einseitigen Idealismus nicht überwinden werden. Wenn wir auf der anderen Seite den Hass vieler Materialisten gegen Gott bedenken, so stoßen wir ebenfalls auf das unabweisbare Problem, dass es außerordentlich schwierig sein wird, dass sie den Glauben an Gott akzeptieren. Wenn wir daher die schwierige und kontroverse Frage des Glaubens an Gott nicht lösen, erscheint es fast ausgeschlossen, dass die Menschen überhaupt an die Wirklichkeit glauben.
Wie sollten wir uns daher der Frage nach Gott nähern? Die moderne Wissenschaft lehrt uns, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt. Wenn wir die Idee akzeptieren, dass sich das Universum immer weiter aus einander bewegt, können wir schwerlich annehmen, dass es überhaupt ein anderes Universum als das unsere gibt. Daraus folgt, dass wir annehmen müssen, dass Gott in diesem Universum selbst vorhanden ist. In diesem Fall kann Gott aber nicht nur ein gewisser Teil des Universums sein. Stattdessen müssen wir annehmen, dass Gott das Ganze ist, dass Gott also überall vorhanden ist, dass Gott allmächtig und das Absolute ist.
Wenn die Frage nach Gott und dem Universum so durchdacht wird, muss ich leider sagen, dass die Religionen Gott oft viel kleiner machen, als er tatsächlich ist. Ich glaube, dass wir in tiefgründiger, geradezu revolutionärer Weise daran denken müssen, wie wir Gott wiedergewinnen können. Wenn wir diesem Gedankengang ernsthaft folgen, müssen wir folgende Wahrheit annehmen: "Gott ist das Universum und das Universum ist Gott". Gott kann niemals kleiner sein als das Universum und ich glaube, dass Gott auf der anderen Seite auch nicht größer sein kann als das Universum. Daher meine Aussage: "Gott ist das Universum und das Universum ist Gott." Diese Einheit von Gott und Universum wird Wirklichkeit genannt.
Wenn wir im Zazen sitzen, können wir in Gott sitzen, können wir im Universum sitzen, können wir im Handeln sitzen und können wir in der Wirklichkeit sitzen. Auf diese Weise können wir also tatsächlich in der Wirklichkeit sein.
Damit möchte ich meine einführenden Erklärungen der buddhistischen Lehre beenden und die Praxis des Zazen selbst darstellen.